Ein häufiger Grund für schmerzende Brustwarzen sind Verletzungen, die vielleicht durch eine nicht ganz optimale Anlegetechnik entstanden sind. Aber auch Besonderheiten der oralen Anatomie beim Baby wie etwa ein verkürztes Zungenbändchen oder ein Pilzbefall der Brustwarze können Beschwerden verursachen. Meist ist eine Reizung oder Rötung der Haut oder gar eine richtige Wunde an der Brustwarze erkennbar.
Schmerzen können aber auch auftreten, obwohl die Brustwarze augenscheinlich komplett unversehrt aussieht. Eine mögliche Ursache dafür ist ein Vasospasmus der Mamille (Brustwarze), ein Gefäßkrampf. Der entsteht dadurch, dass sich feine Blutgefäße stark zusammenziehen. Dieses Phänomen gibt es nicht nur an der Brustwarze. Es lässt sich auch an anderen Extremitäten wie Fingern und Zehen beobachten. Manchmal auch an Nase oder Ohren. Benannt ist es nach Maurice Raynaud, einem Arzt aus Frankreich, der es erstmalig beschrieb.
Gefäßkrampf an der Mamille
Typisch für das Raynaud-Phänomen ist das Blasswerden der betroffenen Körperstelle wie etwa der Finger („Leichenfinger“). Auch betroffene Brustwarzen verfärben sich weiß. Manchmal schimmern sie aber auch bläulich. Vor allem ist das Phänomen durch wirklich starke Schmerzen nach der Stillmahlzeit gekennzeichnet. Wenn sich die Mamille direkt beim Stillen verkrampft, wird der Milchfluss unterbrochen. Das kann dazu führen, dass das Baby unruhig und unzufrieden wird. In der Folge sind Milchstaus möglich.
Die genauen Ursachen für das Raynaud-Phänomen sind unbekannt. Ausgelöst wird es meist durch Kälte, aber auch durch Stress. Vermutet wird eine Fehlregulation im autonomen Nervensystem, die eine übermäßige Gefäßverengung in den kleinen Endarterien bewirkt. Auch eine erhöhte Empfindsamkeit der entsprechenden Blutgefäße auf Reize wie Kälte wird als mögliche Ursache beschrieben.
Im Kontext des Stillens kommen weitere mögliche Ursachen hinzu. Frauen, die schon vor der Schwangerschaft zu Gefäßkrämpfen etwa bei Kälteexposition neigten, sind auch in der Stillzeit häufiger betroffen. Ebenso wird bei Müttern, die in der Schwangerschaft länger Magnesium eingenommen haben und dies dann absetzen, das Raynaud-Phänomen häufiger beobachtet. Bei einer ungünstigen Anlegetechnik, etwa weil das Kind eine hohe Körperspannung hat, kann der Mamillen-Gefäßkrampf eine mögliche Folge sein. Manchmal tritt das Raynaud-Phänomen auch parallel zu einer Pilzerkrankung (Soor) der Brustwarze auf.
Kälte verschlimmert Beschwerden
Da die betroffenen Mütter wirklich starke Schmerzen haben, ist eine schnelle Behandlung wichtig. Sollte ein Anlegefehler vorliegen (das Baby „klemmt“ zum Beispiel die Brustwarze ab), ist das Optimieren des Anlegens angezeigt. Oft kann schon eine andere Position eine deutliche Verbesserung bringen. Wenn das Kind einen sehr hohen Muskeltonus hat, sind manchmal auch therapeutische Maßnahmen wie eine osteopathische Behandlung sinnvoll.
Da Kälte die Beschwerden auslöst und verschlimmert, sollte die Mamille stets warm gehalten werden. Auch das Auflegen von warmen, fast heißen Kompressen (Achtung: Verbrennungsgefahr) kann die Beschwerden lindern. Damit die Durchblutung der Brustwarze optimal ist, sollte gut darauf geachtet werden, dass Stilleinlagen oder zu feste BHs nicht die Durchblutung behindern.
Betroffene Mütter sollten zudem gefäßverengende Substanzen wie Koffein oder Nikotin meiden. Manchmal begünstigen auch eingenommene Medikamente (zum Beispiel Asthma-Medikamente) oder sogar manche Verhütungsmittel eine Verengung der Gefäße. Bei der Medikation sollte mit dem Arzt besprochen werden, ob ein Verzicht oder der Umstieg auf andere Arzneimittel möglich ist.
Raynaud-Phänomen medikamentös behandeln?
Zudem hat sich bei der Behandlung die Einnahme von Magnesium und Calcium bewährt, ebenso wie die von Vitamin B6. Bezüglich der Dosierung und Einnahme sollte Rücksprache mit entsprechend qualifiziertem, medizinischen Fachpersonal (Hebamme, Stillberaterin) oder einem Arzt gehalten werden. Es gibt auch die Option, das Raynaud-Phänomen medikamentös zu behandeln. Diese Form der Behandlung gehört immer in ärztliche Begleitung, da die entsprechenden Medikamente auch mögliche Nebenwirkungen wie Blutdruckabfälle haben können.
In meiner Arbeit habe ich es bisher so erlebt, dass mit den beschriebenen Behandlungsstrategien die Beschwerden deutlich abnahmen oder ganz verschwunden sind. Nur in einem Fall war dies trotz medikamentöser Behandlung nicht der Fall, so dass die Mutter sich letztlich für das Abstillen entschied. Dauerhafte Schmerzen sind natürlich keine Grundlage für eine entspannte Stillzeit. Bei Schmerzen und Beschwerden jeglicher Art in der Stillzeit empfiehlt es sich auf jeden Fall, fachliche Unterstützung zu suchen und gerade anhaltende Schmerzen nicht als „normal“ zu betrachten.
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