Der „normale“ Geburtszeitraum geht von der vollendeten 37. bis zur 42. Schwangerschaftswoche. Kinder, die drei Wochen vor dem errechneten Termin (aufgrund seiner Ungenauigkeit auch gerne „erratener“ Termin genannt) zur Welt kommen, gelten also nicht mehr als zu früh geboren. Babys, die vor diesem Zeitpunkt geboren werden, nennt man Frühgeborene. Wobei es auch hier noch eine Unterscheidung je nach Schwangerschaftswoche gibt. Denn natürlich gilt: Je früher ein Kind zur Welt kommt, umso schwerer ist der Start. Und umso größer die damit verbundenen Risiken.
Vor der 28. Schwangerschaftswoche spricht man von einer extremen, bis zur 32. Schwangerschaftswoche von der sehr frühen Frühgeburt. Danach handelt es sich um eine mäßig frühe Frühgeburt (Moderate Preterm). Die „späten Frühchen“ (Late Preterm) werden zwischen der 34+0 bis zur 36+6 Schwangerschaftswoche geboren. Die Überlebenschancen der Kinder liegen bereits nach der 28. Schwangerschaftswoche bei über 90 Prozent. Auch die Komplikationsrate nimmt mit dem Alter der Kinder ab.
Wenn ein Baby also nur wenige Wochen oder Tage vor seinem eigentlich Geburtszeitraum zur Welt kommt, ist die Situation sicherlich wesentlich entspannter, als wenn ein sehr kleines Kind mit einem nur geringen Geburtsgewicht zur Welt kommt. So ein spätes Frühgeborenes kommt auch durchaus mit 3000 Gramm oder mehr Geburtsgewicht auf die Welt. Es unterscheidet sich dadurch zumindest optisch gar nicht so sehr von einem reifen, in Terminnähe geborenem Baby.
Stillprobleme sind gar nicht so selten
Wahrscheinlich wird auch deshalb gerne mal „vergessen“, dass es sich trotzdem um eine Frühgeburt handelt. Es handelt sich um ein Baby, das noch nicht so ganz fertig auf die Welt gekommen ist. So haben die späten Frühgeboren häufig Anpassungsprobleme nach der Geburt etwa in Bezug auf die Atmung, die Temperaturregulation und auch bei der Nahrungsaufnahme. Die Kinder haben auch öfter mal Probleme mit dem Blutzuckerspiegel oder einer verstärkten Neugeborenengelbsucht (Hyperbilirubinämie). Und auch damit verknüpft kommen Stillprobleme bei den späten Frühgeborenen gar nicht so selten vor.
Auch die Saug- und Schluckreflexe sind oft durch die neuronale Unreife bedingt noch etwas schwach. Die Kinder brauchen außerhalb des Bauches einfach noch etwas mehr Zeit, um zu üben, wie sie Saugen und Schlucken gut koordinieren können. Die häufiger auftretende Hyperbilirubinämie sorgt oft zusätzlich dafür, dass die Kinder etwas müder sind und schnell an der Brust einschlafen. Und wenn das Baby dann das Stillen selbst nicht gut genug anregen kann, ist es wichtig, dass die Mütter eine gute Anleitung zum Pumpen bekommen, damit die Milchbildung entsprechend gut stimuliert wird.
Weil die späten Frühchen oft auch schnell an Gewicht verlieren, ist hier häufiger das zusätzliche Zufüttern erforderlich. Und dies sollte idealerweise mit abgepumpter Muttermilch möglichst an der Brust direkt geschehen. Eine dünne Sonde mit Spritze oder ein Brusternährungsset könnten hier zum Einsatz kommen.
Viel Hautkontakt fördert das Stillen
Viel Hautkontakt fördert das Stillen und ist auch für die Wärmeregulation des Babys gut. Oft melden sich die späten Frühchen aber nicht von sich aus, sondern schlafen einfach noch sehr viel. Vieles von dem, was ein reif geborenes Baby von sich aus einfordert, muss bei den späten Frühchen etwas mehr unterstützt werden. Darum ist es wichtig, dass die Mütter eine gute Begleitung und Stillberatung in dieser Zeit bekommen. Und es müssen natürlich Gewicht, Ausscheidung und die Anpassung des Babys gut im Auge behalten werden. Oft dürfen Eltern und Kind bereits wenige Tage nach der Frühgeburt nach Hause. Das ist natürlich gut und der beste Ort, um noch ein bisschen „nachzureifen“. Trotzdem sollten Eltern auch dort eine gute Unterstützung und Begleitung haben. Vor allem dann, wenn bereits in der Klinik Stillprobleme aufgetreten sind.
Und auch die Mütter brauchen etwas mehr Zeit und Raum, um anzukommen, wenn die Schwangerschaft doch plötzlich kürzer war als gedacht. Auch wenn vieles vielleicht zu Hause schon vorbereitet war, so hat der Kopf oft doch erst später mit der Ankunft des Babys gerechnet. Und so groß die Freude über das geborene Baby ist, so sehr vermissen auch viele Mütter die Zeit, in der es in ihrem Bauch gewachsen ist – und die nun so abrupt endete. Auch Vorwürfe, ob man womöglich selbst mit Schuld an der Frühgeburt trägt, müssen nicht selten relativiert werden. Auch hier ist viel direkter Hautkontakt mit dem Baby gut und heilsam.
Die späten Frühchen machen die größte Gruppe der Frühgeburten aus. Sie liegt bei rund neun Prozent bezogen auf alle Neugeborenen. Das ist recht viel. Trotzdem wird diese Gruppe bisweilen immer noch ein bisschen „vernachlässigt“. Eben weil die Kinder einen äußerlich so stabilen und reifen Eindruck machen. Tatsächlich ist die praktische Unterstützung für Eltern von früher geborenen Kindern oft höher als bei den späten Frühchen. Dies ist mit ein Grund, warum das Stillen in dieser Gruppe oft mit vielen Hürden verbunden ist, wie auch Studien deutlich belegen.
Auch ein bisschen zu früh ist meist einfach doch noch zu früh. Die meisten dieser Kinder hätten einfach idealerweise noch ein bisschen Zeit im Bauch gebraucht. Deshalb sollte auch immer bei einer geplanten Einleitung der Geburt oder einem geplanten Kaiserschnitt vor dem Termin gut abgewogen werden, ob wirklich eine Indikation dafür vorliegt, dass das Baby früher auf die Welt geholt wird. Ein zu früher Start ist immer eine Herausforderung für ein Baby – aber auch eine für seine Eltern.
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