Im Hebammenalltag ist es nicht ungewöhnlich, Wöchnerinnen zu erleben, die tapfer viele Tassen Stilltee trinken, obwohl er ihnen nicht schmeckt. Doch sie möchten alles tun, um ihre Milchbildung anzuregen oder aufrecht zu erhalten. Überall gibt es Stilltee zu kaufen. Influencerinnen, Zeitschriften und Blogs empfehlen ihn als wirksames Mittel. Doch die Wirkung von Stilltee wird völlig überschätzt.
Inhaltsstoffe und Wirksamkeit
Ein Blick auf die Zusammensetzung der gängigen Stilltees zeigt: Die meisten Stilltees enthalten eine Grundmischung aus Fenchel, Kümmel und Anis. Als weitere Teedrogen variieren Zitronenverbene, Majoran, Melisse und Lavendel. Einige enthalten auch Bockshornklee.
Fast alle oben genannten Kräuter tauchen in traditionellen Berichten zur Milchbildung auf. Ohne entsprechende wissenschaftliche Nachweise. Mit zwei Ausnahmen.
Lavendel: Zu Lavendel gibt es eine breite Studienlage, jedoch nicht in Bezug auf eine milchbildende Eigenschaft. Die Vermutung ist, dass er auf Grund seiner beruhigenden Wirkung enthalten ist. Nach aktueller Studienlage hat er als ätherisches Öl eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung. Für Lavendeltee gibt es jedoch kaum wissenschaftliche Belege. Es gibt nur eine Übersichtsarbeit, in der Lavendeltee Erwähnung findet.
Also lieber gar keinen Stilltee trinken?
Bockshornklee: Bockshornklee hat wissenschaftliche Nachweise, die auf eine positive Wirkung auf die Milchbildung hindeuten könnten. In vielen Stilltees fehlt Bockhornklee (Trigonella foenum-graecum) jedoch als Bestandteil. Die Daten, für einen positiven Einfluss vermutet, beziehen sich fast immer auf die Einnahme von Bockshornklee als Kapseln. Daher wird in der Stillberatung bei nicht ausreichender Milchmenge, die Einnahme von höher dosierten Kapseln, mit gemahlene Samen empfohlen.
Eine Einnahme von Stilltee sollte immer eurer Hebamme oder Stillberaterin abgestimmt werden. Stilltees haben, genau wie Milchbildungskugeln, Malzbier oder Wochenbettsuppe, eine nicht zu unterschätzende Placebo-Wirkung. Auch die Reduktion von Stress im Wochenbett wirkt sich positiv auf die Hormonlage und somit auf die Milchbildung aus.
Wenn zwei Tassen Stilltee am Tag zu einer entspannenden Teepause beitragen, kann das auch ohne wissenschaftlich belegte Wirkung hilfreich sein. Vorausgesetzt, der Tee schmeckt. Auf keinen Fall sollten Stillende aber literweise Stilltee oder andere Getränke weit über das Durstgefühl hinaus trinken.
Trinken im Alltag mit Baby
Eine zu hohe Flüssigkeitsaufnahme führt nicht zu mehr, sondern in einigen Fällen zu weniger Milch. Zu viel Trinken sorgt für die Ausschüttung von ADH (antidiuretisches Hormon). ADH bewirkt, dass vermehrt Wasser aus dem Körper „ausgeschwemmt“ wird.
Die allgemeine Empfehlung – also ein Richtwert für die Stillzeit – sind zwei bis drei Liter zu trinken. Trinken nach Durstgefühl ist auch eine gute Richtlinie für eine ausreichende Trinkmenge. Der Durst ist in der Regel in der Stillzeit ausgeprägter. Ein trockener Mund kann ein entsprechender Hinweis sein. Nicht immer wir das wahrgenommen. Oder es ist verständlicherweise nicht immer genau dann ein Getränk in der Nähe.
Eine schöne Erinnerung an das Trinken können die Mahlzeiten sein. Immer wenn das Baby oder die Stillende isst, wird ein Glas getrunken. Auch ein immer volles Glas Wasser an der Spüle in der Küche oder auf einem Tisch kann eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr ermöglichen.
Möglichkeit zur Steigerung der Milchmenge
Ideal sind Wasser und verdünnte Obst- oder Gemüsesäfte, ebenso Früchte- und Kräutertees. Auch Stilltee ist in Ordnung, wenn er schmeckt. Große Stillwunder sollte man sich davon jedoch nicht versprechen, egal was auf der Verpackung steht.
Die wichtigste Maßnahme zur Steigerung der Milchmenge bleibt, das Baby zum häufigen, direkten und effektiven Stillen an der Brust zu bewegen. Das sorgt dafür, dass das „Milchbildungshormon“ Prolaktin durch den Saugimpuls vermehrt ausgeschüttet wird. Wenn das Baby dies nicht schafft, muss die Brust entsprechend durch Abpumpen oder Handentleerung stimuliert werden.
Grob lässt sich sagen: Je öfter und länger angelegt wird, desto mehr Muttermilch wird durch die entsprechende Prolaktinausschüttung produziert. Entscheidend für die Milchmenge ist also die häufige und effektvolle Entleerung der Brust. Dies ist das A und O.
Jedes Galaktogoga (Substanz oder Medikament, das die Milchbildung anregen, steigern oder aufrechterhalten soll) kann dabei immer nur unterstützen. Weshalb es auch nicht ohne zeitgleiche fachgerechte Stillberatung angewendet werden sollte.
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