Essen und Trinken während der Geburt

Gerne wird die Anstrengung bei einer Geburt mit einem Marathonlauf verglichen. Egal, wie viele Geburtskilometer eine Gebärende letztlich tatsächlich läuft: Gebären erfordert viel Kraft. Dafür benötigt der Körper entsprechend Energie. Die frühere Empfehlung, dass Frauen unter der Geburt generell nichts essen sollten, ist als ziemlich kontraproduktiv widerlegt. Dennoch sind Einschränkungen – je nach Klinik – immer noch an der Tagesordnung.

Der Hintergrund der Einschränkungen ist es nicht, Gebärenden den Energienachschub vorzuhalten. Die Nahrungskarenz ist eine prophylaktische Empfehlung, für den Fall, dass ein Kaiserschnitt in Vollnarkose erforderlich sein sollte. Tatsächlich besteht bei einer Intubationsnarkose (ITN) ein mögliches Risiko, dass erbrochener Mageninhalt versehentlich in die Luftröhre bzw. die Lungen eingeatmet wird. Durch die Narkose sind die normalerweiser vorhandenen Schutzreflexe des Körpers außer Kraft gesetzt – eine gewünschte Reaktion bei einer Vollnarkose. Deshalb ist der Magen zum OP-Zeitpunkt am besten ganz leer.

In Notsituationen etwa nach einem Unfall oder eben auch bei einem Notkaiserschnitt wird diese Situation aber nicht immer gegeben sein. Dann wird das Aspirationsrisiko durch die Gabe bestimmter Medikamente (etwa durch Magensäureblocker) und spezielle Narkosetechniken reduziert. Bei geplanten Operationen in Vollnarkose ist immer vorab eine Nahrungskarenz von mindestens sechs Stunden vom Anästhesisten angeordnet. Wasser kann bis zwei Stunden vor Operationsbeginn in der Regel noch getrunken werden.

Normaler Geburtsbeginn ist keine OP

Ein normaler Geburtsbeginn ist aber keine geplante Operation. Dazu kommt, dass selbst in Notsituation unter der Geburt oftmals der vielleicht erforderliche Kaiserschnitt noch mittels Epidural- bzw. Spinalanästhesie durchgeführt werden kann, also einer rückenmarksnahen Regionalanästhesie. Es wäre also nicht angemessen, deshalb allen Frauen das Trinken und Essen unter der Geburt zu verwehren. Ganz im Gegenteil ist es für den Geburtsverlauf sehr kontraproduktiv, Gebärende „hungern“ zu lassen oder ihnen das Trinken zu verwehren. Die intensivierte Atmung trocknet den Mund aus und die Wehenarbeit macht durstig. Gebärende verlieren über das Schwitzen zusätzlich Flüssigkeit. Gerade das Trinken ist also besonders wichtig

Wenn das Essen und Trinken nicht gestattet ist, wird das Energie -und Flüssigkeitsdefizit meist durch Kochsalz- und Glukoseinfusionen ausgeglichen. Für den Geburtsverlauf bedeutet dies aber eine weitere unangenehme Intervention sowie eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit unter der Geburt. Generell kann die Gabe dieser Infusionen unter der Geburt mal angezeigt und hilfreich sein, da manche Frauen nichts zu sich nehmen können oder auch alles erbrechen, was sie während der Geburtsarbeit konsumieren. Dann kann „Nahrung über die Vene“ sinnvoll sein, damit die große körperliche Anstrengung weiterhin gut zu bewältigen ist. Auch bei akuten Kreislaufproblemen oder Stressreaktionen des Babys sowie bei der Anlage einer PDA werden Infusionen eingesetzt und haben da auch ihre Berechtigung.

Aber sie müssen nicht die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme bei unauffälligen Geburtsverläufen ersetzen. So ist auch in der aktuellen S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin zu lesen:

„Die wissenschaftliche Evidenz unterstützt die WHO-Empfehlung: Frauen mit einem geringen Risiko für Geburtskomplikationen sollen selbstständig über Aufnahme von Essen und Trinken unter der Geburt entscheiden dürfen. Studien zeigen, dass dies auch der Wunsch der Frauen ist. Das Verweigern von Nahrung unter der Geburt kann in Frauen Ängste und Unwohlsein während der Geburt auslösen. Frauen fühlen sich gesund und wohl bei freier Wahl von Essen und Trinken unter der Geburt. Sie reduzieren die Nahrungsaufnahme selbstständig bei Fortschreiten der Geburt und stärkerer Wehentätigkeit. Alle Ergebnisse beziehen sich auf Schwangere beziehungsweise Gebärende mit einem geringen Geburtsrisiko.“

Energiespender einpacken

In den Leitlinien steht auch, dass isotonische Getränke gegenüber Wasser zu bevorzugen sind. Dazu wird generell leichte Kost empfohlen. Damit beantwortet sich auch die Frage nach den besten Geburtssnacks und Getränken. Frauen sollen selbständig entscheiden, was ihnen in dieser Situation schmeckt und gut tut. Da die Auswahlmöglichkeiten in einer Klinik jenseits von Caféteria und Schokoriegel-Automaten nicht ganz so ideal sind, sollte also entsprechend Essen und Trinken in der Kliniktasche sein.

Das gilt natürlich auch für die Geburt im Geburtshaus. Und auch bei einer Hausgeburt sollte das im Hause sein, was man wahrscheinlich mögen wird. Schwer verdauliches, fettes Essen ist keine gute Idee unter der Geburt. Aber ob man Obst, Energiebällchen, Kekse, Brot, eine leichte Suppe oder Joghurt bevorzugt – das ist so individuell wie jede Geburt. Wenn Übelkeit oder sogar Erbrechen vorherrschen – typischerweise in der Phase, kurz bevor der Muttermund vollständig eröffnet ist – mag kaum eine Gebärende essen. Dann liefert zum Beispiel Traubenzucker schnelle Energie. In dieser durchaus herausfordernden Übergangshase war immer Cola (nicht die zuckerfreie nehmen) mein ganz persönlicher Energiespender, der sich bei allen vier Geburten bewährt hat.

Und natürlich sollten auch die Geburtsbegleiter*innen gut für sich sorgen und entsprechend Essen und Trinken einpacken.

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