Immer und immer wieder begegnet mir als Hebamme die Situation im späten Wochenbett, dass eine Mutter mit dicken Augenringen die Tür öffnet und gefühlt völlig am Ende ihrer Kräfte ist. Oft sind es Frauen, die einen Partner an ihrer Seite haben. Einen Partner, der sie liebt und der das Kind liebt. Elternzeit hin oder her – die meisten Mütter stehen bereits ein paar Wochen nach der Geburt alleine mit dem Baby da, weil der Vater wieder in seine Berufstätigkeit zurückgekehrt ist. Nicht selten in einen Job mit langen Arbeitszeiten und vielleicht auch hoher Verantwortung. Aber was tun die Mütter in dieser Zeit?
Richtig: Einen Job ausüben, der die Verantwortung für einen sonst völlig hilflosen und bedürftigen kleinen Menschen übernimmt. Einen Job, der manchmal gefühlt endlose Arbeitszeiten hat – und das ohne Pause. Es soll an dieser Stelle kein verbaler Machtkampf werden, welches Elternteil mehr leistet. Aber wenn sich Paare für diese recht klassische Rollenverteilung entscheiden, sollte trotzdem klar sein, dass die restliche gemeinsame Zeit auch gemeinsam aufteilt wird.
Oft sagen mir Mütter den Satz „Es war ja abgemacht, dass ich zu Hause bleibe“, wenn ich danach frage, ob der Vater in der Nacht auch mal phasenweise das unruhige Baby übernehmen kann. So könnte die Mutter vielleicht doch mal ein wenig mehr als nur eine Stunde am Stück schlafen. Ja, vielleicht war vor der Geburt abgemacht, dass sich die Mutter in der Zeit, um das Baby kümmert, in denen der Vater beruflich abwesend ist. Aber damit sollte nicht gemeint sein, dass die restliche Zeit ungleichmäßig zu Lasten eines Elternteils verteilt ist. Oft wird gegen die Unterstützung in der Nacht argumentiert. Der Partner müsse ja halbwegs ausgeschlafen sein, um den nächsten Tag an seiner Arbeitsstelle gut bewältigen zu können.
Jedes Kind bringt andere Bedürfnisse mit
Eine Mutter sollte aber ebenso ein Mindestmaß an Schlaf bekommen. Sie muss am nächsten Tag ihre verantwortungsvolle Tätigkeit ebenso gut bewältigen können. Denn die Tage mit Baby werden zu einer teils nicht mehr tragbaren Belastung, wenn ein massiver Schlafmangel vorliegt. Mit ein bisschen Müdigkeit hingegen können beide Eltern ihren Job halbwegs gut bewältigen. In dem Wissen, dass auch wieder leistungsfähigere Tage kommen werden. Bei der Absprache darüber, wie Eltern sich Beruf und Familienalltag zukünftig aufteilen möchten, sollten nicht nur die acht oder vielleicht auch mehr Stunden Berufstätigkeit am Tag berücksichtigt werden. Auch die restlichen Stunden bedeuten als Eltern nun eben nicht mehr nur noch ein bisschen Haushalt, relativ viel Freizeit und vor allem ausreichend Schlaf.
Sicherlich muss man nicht im Vorhinein sklavisch festlegen, wer wann was macht. Aber eine generelle Bereitschaft, sich die Dinge zu teilen, ist sicherlich wichtig. Jedes Kind bringt andere Bedürfnisse mit und jede Entwicklungsphase ebenso. Das, was eine Zeit lang gut lief, passt vielleicht ein paar Wochen später schon nicht mehr. Es wird einem also als Eltern nichts anderes übrig bleiben, als immer wieder neu darüber zu reden. Und Vereinbarungen so zu justieren, dass es für alle passt.
Beim ersten Kind haben wir jungen Eltern auch versucht, „neben dem Baby“ noch eine laufende Hebammenpraxis, ein Studium und eine Vollzeitstelle unter einen Hut zu bekommen. Und sind damit natürlich auch streckenweise immer wieder gescheitert. Wir hatten vorab viel Zeit investiert, das Berufsleben zu organisieren. Aber dabei wohl ein bisschen vergessen, dass die Absprachen für die Zuständigkeiten in der gemeinsamen Zeit zu Hause genauso wichtig sind.
Aber vieles lernt man im Elternleben auch erst dann, während man das Leben als Eltern lebt. Das habe ich selbst so wahrgenommen. Ich sehe es auch immer wieder in der Hebammenbetreuung. Wenn Familien noch auf der Suche nach einem für sie passenden Weg sind, mit dem letztlich alle zufrieden sind. Aber eines ist klar: Die Tatsache, dass einer „zu Hause bleibt“, bedeutet eben nicht, dass er dort deshalb 24 Stunden am Tag für alles zuständig ist.
Schreibe einen Kommentar