Schon beim zweiten, aber spätestens beim dritten oder vierten Kind bekommt man sie: die Bewunderung von Müttern, die „nur“ ein Kind haben. Diese fragen sich offenbar innerlich, wie das alles überhaupt mit einem Kind mehr zu schaffen sei. Und manche Eltern haben ja gleich mehrere Kinder und wirken scheinbar auch noch ganz entspannt dabei.
Ich kenne dieses Gefühl. Damals, als ich gerade mal einige Monate lang Mutter meines ersten Kindes war, dachte ich auch oft, dass meine beste Freundin wohl Superwoman sein muss, weil sie drei Kinder hat. Und trotzdem noch Zeit für mich hatte, wenn ich aufgeregt anrief, weil mein Baby seinen ersten Schnupfen hatte. Für Superwoman halte ich die Freundin zwar bisweilen immer noch – aber eben nicht, weil sie mittlerweile vier Kinder hat.
Das mit den vielen Kindern war dann rückblickend doch ganz gut machbar – und vieles auch viel leichter als beim ersten Mal mit einem Kind. Aber natürlich bedeutet jedes Kind mehr auch ein Mehr an Herausforderungen und Aufgaben. Weil eben ein Kind ein Kind ist. Doch dieses allererste Kind stellt das bisherige Leben so auf den Kopf, wie es meist keines der Geschwister mehr nach ihm tun wird. Zum ersten Mal diese große Liebe und Verantwortung spüren, die einen aber auch gleichzeitig so sensibel und angreifbar machen. Zum ersten Mal den Alltag so sehr von einer anderen Person bestimmen lassen. Und das, wo man doch insgeheim immer ein bisschen dachte, dass die anderen vielleicht nur übertreiben.
Alles gar nicht so anstrengend?!
Und dann sitzt man selbst mit dem Baby im Tragetuch auf der Toilette, weil das kleine Menschenkind so sehr weint, sobald man es ablegt. Oder man ist tatsächlich so müde wie nie zuvor, ganz egal, was der Beruf einem zuvor abverlangt hatte. An manchen Tagen kommt man nicht mal dazu, sich selbst ein Brot zu schmieren oder zu duschen. Da drängt sich die Frage geradezu auf, wie man denn so für ein weiteres Kind zum Beispiel kochen kann. Und noch mehr Wäsche waschen? Die Waschmaschine dreht sich doch eh schon jeden Tag. Befüllt mit Babysachen, Spucktüchern und den eigenen ständig durchgeschwitzten Sachen, weil die Hormone und der Stress zu ständigen Schweißausbrüchen führen.
Wenn man selbst gerade stolz darauf ist, dass man es heute angezogen und pünktlich zur Krabbelgruppe geschafft hat, ist es schwer vorstellbar, dass man neben dem Baby noch diverse andere Termine der älteren Geschwister organisiert. Über die Vereinbarkeit mit einem Berufsleben möchte man an dieser Stelle vielleicht gar nicht erst nachdenken. Und was ist mit der Beziehung? Die Nerven liegen doch jetzt schon ständig blank. Die Streitfrequenz nimmt zu, weil sich beide Partner bisweilen überfordert fühlen.
All diese Gedanken gingen mir auch oft durch den Kopf, als wir unsere ersten kleinen Schritte als Eltern machten. Gerne hört man dann auch mal den Spruch „Ein Kind ist kein Kind“. Der soll einem als Ersteltern dann sagen, dass das doch alles gar nicht so anstrengend sei. Ist es aber! Jetzt gerade für diese Eltern mit „nur“ einem Kind. Deshalb sollte man mit solchen Äußerungen auch stets zurückhaltend umgehen, denn es bleibt schnell beim anderen das Gefühl zurück, es nicht gut genug hinzubekommen. Ein Gefühl, das keine Mutter und kein Vater wirklich gebrauchen kann. Und ganz abgesehen davon gibt es genug Eltern, deren Wunsch nach einem weiteren Kind aktuell oder generell nicht in Erfüllung geht. Dann trifft einen dieser Satz doppelt hart.
Scheitern gehört dazu
Natürlich denke ich heute auch oft, wie vergleichsweise entspannt es doch ist, wenn ich mit „nur“ einem Kind unterwegs bin. Selbst wenn eines von vier Kindern nicht da ist, merkt man das. Aber es ist vor allem deshalb entspannter, weil wir schon länger Eltern sind. Vieles kennen wir, haben viele „Fehler“ schon gemacht – und im besten Fall etwas daraus gelernt. Und wir wissen, dass gerade die besonders anstrengenden Phasen letztlich doch nicht allzu lange anhalten. Wir haben einen Familienalltag und eine Aufgabenverteilung gefunden, die für uns gut funktionieren. Auch in anstrengenden Zeiten haben wir uns als Paar nicht komplett vergessen. Wir haben Freunde gefunden, mit denen wir uns gegenseitig unterstützen können. Es sind Freunde, mit denen wir diese Sorgen und Zweifel teilen können, die wohl alle Eltern immer wieder mal haben.
Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, trotz intensiver Beachtung der kindlichen Bedürfnisse auch die eigenen nicht aus den Augen zu verlieren. Da ist mittlerweile keine Verunsicherung mehr, nur weil Menschen in unserem Umfeld etwas ganz anders machen. Prioritäten werden von uns möglichst sinnvoll gesetzt. Und wir haben verstanden, dass Scheitern dazu gehört und wir als Eltern Fehler machen und machen dürfen. Auch beim vierten Kind!
Und genau die Summe aus all diesen Dingen macht es wahrscheinlich entspannter. Es sind am Ende nicht die höheren Wäscheberge oder größer gekochten Portionen Essen. Es sind die ganzen vielen Erfahrungen, die man mit dem ersten oder auch jedem Kind mehr machen darf. Mit dem ersten Kind hat dieser Weg gerade erst begonnen. So treffend heißt es doch: „Nicht nur das Baby, auch die Mutter wird geboren“ – das gilt natürlich auch für die Väter. Während wir unserem Kind nach der Geburt Raum und Zeit zum Wachsen und zur Entwicklung geben, haben wir doch oft mit uns selbst als Eltern nicht die gleiche Geduld. Vielfach ist die Erwartung da, dass wir immer alles wissen und können müssten. Doch alles weiß man auch nach drei oder vier Kindern natürlich nicht.
Aber ich weiß mittlerweile recht genau, warum ich mich beim ersten Kind oft so gestresst, müde, verzweifelt und manchmal auch irgendwie richtig inkompetent gefühlt habe. Gerade neben den Mehrfachmüttern, die das alles scheinbar mit links machten damals. Darum kann ich statt des oben zitierten Satzes nur sagen: Ein Kind ist ein Kind- ob mit oder ohne mehr oder weniger Geschwistern. Und zwar inklusive aller damit verbundenen Herausforderungen in der jeweiligen Lebensphase.
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