Immer wieder kann man die Müdigkeit von bloggenden Müttern im ersten und manchmal auch zweiten Babyjahr direkt aus ihren Texten lesen. Meistens sind es die „Tippfejler“, hingefeuert durch das beiläufige Treffen der Taste neben der Taste. Manchmal aber sind es einfach die Texte selbst, diese müde-genervten Gedankengänge, die mitten in der Nacht verfasst werden, nur um mal wieder etwas auf dem Blog zu schreiben. Oder ein Text ist dem Druck geschuldet, wie sonst doch auch immer jeden Tag etwas zu schreiben. Natürlich macht es einen Unterscheid, ob eine allein erziehende Mutter darüber schreibt, die oft ja gar nicht anders kann, als viele Probleme im Alleingang zu regeln, was es natürlich nicht einfacher macht.
In nicht wenigen Fällen ist aber das Grundproblem, dass die gerade angesprochenen Mütter den täglichen Familienalltag trotz der Existenz eines Partners größtenteils im Alleingang wuppen müssen. Fast immer deshalb, weil die Väter zur Arbeit gehen und sich zu großen Teilen aus der Alltagsorganisation raushalten. Jedenfalls lese ich das immer wieder aus den traurigen Texten heraus, in denen darüber geklagt wird, wie anstrengend das nächtliche Schuckeln des Babys ist, das andauernde Stillen, die tagsüber parallel dazu anfallende Organisation der Freizeitaktivitäten der großen Geschwister oder eben nur das permanente Wechseln der Windeln oder der vollgespuckten Babykleidung. Von Brechdurchfallzeiten will ich mal lieber gar nicht anfangen.
Erschöpfte Mütter, sagt es euren Männern
Ich kann aus eigener Erfahrung nur ganz deutlich sagen: Liebe erschöpfte Mütter, sagt es euren Partnern. Sagt es ihnen freundlich, aber deutlich, dass dieser ganzen Baby- und Kinderjob nicht eure alleinige Aufgabe ist. Denn in vielen Fällen realisieren die Partner nicht, was da alles an Anstrengung dran hängt . Oder ihnen ist die Tragweite der Konsequenzen nicht bewusst. Denn wenn die Frau sechs, sieben, acht anstrengende Monate nach der Geburt erschöpft in der Küche beim morgendlichen Produzieren des Brotdoseninhalts zusammenklappt, werden die Probleme riesengroß. Weil sie es in diesem Moment nämlich schon sind! Und ja natürlich wäre es viel besser, es müsste nichts gesagt werden. Es wäre selbstverständlich, dass Eltern sich beide gleichermaßen verantwortlich für den gesamten Familienalltag fühlen. Aber ich weiß auch wie die Realität aussieht, wie viele heutige Väter früher in diesem Kontext sozialisiert wurden. Das ist keine Entschuldigung, nur eine Feststellung.
Anja hat mir in unseren harten Phasen immer wieder Beispiele aus ihrem Hebammenalltag geschildert, in den Frauen komplett zusammengeklappt sind. Das passierte nie von heute auf morgen. Es gab immer eine meist längere Vorgeschichte. Und meist musste dann der Vater plötzlich von heute auf morgen alles übernehmen und dann alleine wuppen, was ihn dann nicht selten in ganz ähnliche Erschöpfungszustände brachte. Dem kann man zumindest ein bisschen vorbeugen. Zwei Eltern am Limit sind immer schlechter, als wenn beide ein wenig müde und fertig sind, was die erste Babyzeit nun mal einfach so mit sich bringt…
Wie so häufig ist die mangelnde oder schwierige Kommunikation das Problem. Es wird herumgedruckst, relativiert, eingeordnet, abgewogen, ob es dem Mann denn zumutbar ist, ihn neben dem Druck auf der Arbeit noch mit dem Druck des Babyalltags zu konfrontieren. Herrje: Natürlich ist es das.
Trotz und wegen der Müdigkeit
Ein Tag Büro ist Urlaub im Vergleich zu einem Tag mit einem nöligen sechsmonatigen Baby, das gerade loskrabbeln will. Ein Tag auf dem Bau vergeht wie ein lässiger Fitnessstudiobesuch im Vergleich zur alleinigen Betreuung eines kranken Babys, mit dem man vielleicht noch die große Schwester aus dem Kindergarten einsammeln muss. Und ja, vielleicht müssen Fluglotsen und Herzchirurgen immer ausgeschlafen sein. Aber die meisten Jobs vertragen auch eine etwas müdere Version meines Selbst für eine absehbare Zeit. Einen kleinen recht hilflosen Menschen gut durch den Tag zu bringen ist eine hohe Verantwortung, die man besser auch nicht total erschöpft angeht. Bei zu hoher Müdigkeit und Erschöpfung sinkt die Feinfühligkeit und es steigt gleichzeitig das Unfallrisiko. Man darf jedenfalls keine Angst davor haben, den Partner zu involvieren. Er wird es leisten können. Er wird es leisten müssen. Er ist der Vater. Vielleicht auch die zweite Mutter. Aber in jedem Fall jemand, der mitmachen muss. Denn zu einem Kind gehören in den meisten Fällen zwei Elternteile, die gleichermaßen verantwortlich sind.
Mütter leisten mit Schwangerschaft, Geburt und Stillen den größten Anteil am Kinderkriegen. Darüber hinaus aber darf man aber als Paar alles andere teilen bzw. dieses biologisch vorgegebene Ungleichgewicht an anderer Stelle ausgleichen. Gebt ab, was abzugeben ist. Sprecht darüber, wie man das Leben neu organisiert. Es geht! Man muss es „nur“ machen… trotz und wegen der Müdigkeit.
Schreibe einen Kommentar