Diese Alten. Sie stehen manchmal mitten im Weg mit ihren Rollatoren. Beim Bäcker können sie sich nicht entscheiden. An der Kasse friemeln sie stundenlang das Geld heraus. Sie sind langsam und halten das Einsteigen in den Bus oder in die Bahn unnötig auf. Sie laufen immer noch auf der Straße, wenn die Ampel längst auf Rot umgesprungen ist. Manchmal reden sie auch wirre Dinge, die keiner versteht. Wenn sie essen, kleckern sie vielleicht, weil die Koordination eingeschränkt ist. Die Angehörigen, die sich um sie kümmern, fehlen dem Arbeitsmarkt…
Manchmal kommen mir solche Gedanken, wenn ich das tagtägliche Rumgehacke mancher Menschen auf Kindern erlebe oder darüber lese. Es entsteht der Eindruck, dass es in unserer Gesellschaft nur ein akzeptables Lebensalter gibt. In dem dann auch jeder bitte schnell, gesund und voll funktionsfähig ist. Das Alter davor und danach ist in all seinen Facetten nervig und störend. Ganz egal, ob es dabei um Kinder geht, die manche Dinge noch nicht können oder um ältere Menschen, denen bestimmte Dinge zunehmend wieder schwerer fallen.
Doch was ist das für ein arroganter und ungesunder Blick auf das Leben. Denn die Kindheit ist genauso eine Phase unseres Lebens wie hoffentlich später ein hohes Alter. Und selbst, wenn ich gerade in meiner Zwanzigern, Dreißigern oder Vierzigern auf dem Höhepunkt meiner beruflichen oder sonstigen Leistungsfähigkeit bin, kann es mich ganz schnell wieder aus der Bahn werfen. Ich spürte das deutlich vor einigen Jahren, als ich mir erst einen Arm und wenige Monate später ein Bein brach.
Entschleunigung durch Spazierenstehen
So was entschleunigt das Leben von heute auf morgen sofort. Und während Knochenbrüche meist heilen, kann uns jederzeit auch etwas langfristig so beeinträchtigen, dass wir nicht mehr den Erwartungen entsprechen, die ein ein Großteil der Gesellschaft hat. Wie arrogant ist es also zu denken, dass wir immer die gleiche Kraft und das gleiche Können im Leben haben werden?!
Ja, auch Kinder bremsen uns aus. Wenn sie überall stehen bleiben, mit ihrem Laufrad quer auf dem Gehweg parken oder sich an der Eisdiele nicht schnell genug entscheiden können. Sie tun dies, weil sie noch ganz im Hier und Jetzt leben oder weil sie einfach noch nicht schneller können. Und ist es nicht manchmal genau diese Entschleunigung, die das Leben mit Kindern so bereichert? Diese kostbaren Momente, wenn man es schafft, sich auch einfach mal auf das Hier und jetzt einzulassen. Einfach anzuhalten im Alltagstrott oder den Blick mal wieder auf die kleinen unscheinbaren Dinge zu lenken, die oft so besonders sind.
Und nein, ich habe auch nicht immer die Geduld, dass ich es mir schön reden kann, wenn die ältere Dame vor mir an der Kasse in Zeitlupe die Münzen aus der Geldbörse kramt. Und auch das Spazierenstehen der Kinder kann ganz schön nerven. Aber ich muss weder den kleinen noch den großen Menschen, die gerade einfach nicht anders können, ein schlechtes Gefühl dabei geben. Denn einst war ich das kleine Mädchen, das jeden Kieselstein umdrehen musste. Und irgendwann werde ich meine Zeit brauchen, um mit runzeligen Händen die richtige Summe aus meiner Geldbörse zu friemeln. Und dann freue ich mich sicherlich auch, wenn die Menschen hinter mir freundlich lächeln, anstatt mich auch noch auf meine Unzulänglichkeiten aufmerksam zu machen.
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