Gerade geht eine Aktion der Hebammenunterstützung durch Facebook, die dazu auffordert, sein Profilbild in ein schwarzes Bild zu ändern, auf dem „Zappenduster-Geburtshilfe in Deutschland“ steht. Dies soll auf die sich stetig verschlechternde Versorgungslage von Schwangeren und Müttern und auf das Nichtdaraufreagieren der Entscheidungsträger hinweisen. Ich begrüße diese Aktion und habe sie auch bereits mehrfach auf Facebok geteilt. Doch weshalb ändere ich selbst mein Profilbild dennoch nicht um? Nein, es liegt nicht daran, dass ich mein Profilbild ohnehin in vielen Jahren bisher ganze zwei mal gewechselt habe. Und ich würde das „technisch“ durchaus hinbekommen. Doch je mehr sich der Nachrichten-Stream bei Facebook verdunkelt, umso mehr merke ich, was mich eigentlich davon abhält.
Dieses düstere schwarze Bild sähe für mich ganz persönlich nach Selbstaufgabe aus. So wie viele geburtshilfliche Abteilungen gerade reihenweise schließen, Hebammenpraxen und Geburtshäuser aufgeben und sich täglich neue Kolleginnen aus dem Beruf verabschieden…
1:3- bis 1:4-Betreuung
Ich habe an dieser Stelle ja bereits geschrieben, dass ich bisher noch nicht aufgebe. Und ohne die Augen vor der Realität verschließen zu wollen, brauche ich einen kleinen Lichtblick in dieser so verfahrenen Situation. Ich weiß, dass bei vielen Kolleginnen, die ihr Profilbild entsprechend gewechselt haben, gerade die Aufgabe des Hebammenberufes an der Tagesordnung steht. Auch wenn viel Wut und Verzweiflung und natürlich Hoffnung in einen Neuanfang dahinter steht, so weiß ich doch, dass es bei allen in der Regel mit tiefer Trauer verbunden ist. Denn keine ist „aus Versehen“ Hebamme geworden.
Dafür waren in der Vergangenheit der Bewerbungsmarathon zu aufwendig und die Ausbildungsjahre im Kreißsaal zu hart. All diese Kolleginnen lieben ihren Beruf noch immer und sind überzeugt von der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit – nur leider lassen die Begleitumstände die eigentliche Hebammenarbeit nicht mehr zu. Zu viel (unbezahlte) Zeit für andere Dinge verhindert die ursprüngliche Idee der Hebammenbetreuung von Mutter und Kind. Umstrittene Leitlinien und Kompetenzgerangel sorgen dafür, dass ausgerechnet Mutter und Kind nicht mehr im Mittelpunkt stehen.
Die Angst der Geburtshelfer vor Klagen begleiten nicht nur das Tagesgeschäft im Kreißsaal. Ewige Vorurteile über angeblich unverantwortliche, pendelschwingende und Aromaöl versprühende Hebammen lassen auch die außerklinische Geburtshilfe in einem völlig falschen Licht dastehen. Die nicht seltene 1:3- bis 1:4-Betreuung in der Klinik lässt nur noch das „Retten“ von geburtshilflich verfahrenen Situationen zu, aber schon längst keine individuelle und frauenwürdige Geburtsbegleitung mehr.
Das wirtschaftlich erforderliche Gehetze von Hausbesuch zu Hausbesuch oder wahlweise die Verarmung gibt keinen Raum, um mit Müttern in dieser sensiblen Lebensphase so zu arbeiten, dass sie gut und gestärkt aus dem Wochenbett gehen – gerade dann, wenn Geburten so ganz anders verlaufen sind als geplant. Für Stillberatung ist in den ersten Kliniktagen oft weder Zeit noch Personal vorhanden. Und ja, oft führen die ersten drei „verpfuschten“ Stilltage schnell in die Zufütter- und Abstillspirale.
Von Jahr zu Jahr neu planen…
Ich werde jetzt im November die Weiterbildung zur Familienhebamme beginnen, mit dem Wissen, dass diese wichtige präventive Arbeit auch völlig unzureichend von den zuständigen Stellen vergütet wird. Doch ich glaube noch immer daran, dass man gerade in sozial schwierigen Situationen sehr viel für die Kinder und ihre Eltern erreichen kann, wenn sie entsprechend gut begleitet werden. Doch momentan ist es ja fraglich, ob ich überhaupt noch versichert sein werde, um auch in diesen Familien arbeiten zu können.
Dieses ewige „Von Jahr zu Jahr“-Planen ist ein unhaltbarer Zustand für alle Beteiligten. Ich will das alles eigentlich auch nicht mehr. Ich will, dass es endlich anders wird. Doch dafür muss ich mir das kleine Fünkchen Hoffnung bewahren. Wahrscheinlich ist das also der Grund, warum ich einfach nicht so dunkelschwarz sehen will. Vielleicht werde ich 2016 meine Hebammen-Homepage nicht nur verdunkeln, sondern komplett entfernen müssen. Doch noch ist es bei mir nicht so weit! Trotzdem ist es gut und wichtig, dass weiter darauf aufmerksam gemacht wird, wie unsere einst eigentlich ganz gute Versorgungslage von (werdenden) Müttern und Kindern rasant den Bach runter geht. Darum danke an alle, die dabei sind.
Informationen zu der Aktion findet ihr hier.
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