(Werbung / Affiliate-Link) Die Reproduktionsmedizin entwickelt sich rasant weiter. Auch ich als Hebamme begleite zunehmend mehr Eltern, die diesen Weg für ihr Wunschkind gegangen sind. Allerdings meistens erst ab jenem Zeitpunkt, an dem eine Schwangerschaft sicher eingetreten ist. Oder typischerweise oft auch erst kurz vor oder nach der Geburt. Der intensiven, medizinisch begleiteten Kinderwunschphase folgt in aller Regel auch eine ebenso intensiv überwachte Schwangerschaft. In die passt die meist recht interventionsarme Hebammenvorsorge gar nicht so richtig hinein. Das macht es den Müttern oft nicht gerade leichter, Zutrauen zu ihren Körpern zu gewinnen.

Genau das ist allzu oft auf dem mehr oder weniger langen Kinderwunschweg bisweilen abhanden gekommen. Vielleicht lief dann auch noch die Geburt ganz anders als geplant. Nicht selten jedenfalls höre ich von Frauen mit langer Kinderwunschgeschichte Sätze wie: „Das Schwangerwerden hat schon nicht alleine geklappt und nun brauchte es für die Geburt auch noch so viel medizinische Hilfe.“

Das, was an dieser Stelle bereits geleistet wurde, kann von der Mutter selbst gar nicht mehr richtig wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Nicht selten setzten sich deshalb Frauen unter starken Stilldruck. In der Tat kann eine schöne und unkompliziert verlaufende Stillzeit sehr heilsam sein. Aber gleichzeitig birgt sie viel Potenzial, sich und seinem Körper erneut großen Stress zu bereiten, wenn nicht alles ganz optimal läuft.

Belastungen sind mit der Geburt nicht einfach weggewischt

Überhaupt gibt es nach der Geburt von vielen Seiten die Erwartung, dass die Eltern jetzt doch bitte dauerglücklich sein müssen, wo endlich das lang ersehnte Wunschkind da ist. Doch jedes Baby bringt auch eine Menge Anstrengung und neue Herausforderungen mit sich. Ganz egal, wie lange auf dieses Kind zuvor gewartet wurde. Gleichzeitig beginnt auch für viele Eltern die Zeit, in der das Erlebte überhaupt erstmalig nach und nach verarbeitet werden kann. Vorher waren sie eingebunden in einen Kreislauf aus Untersuchungen und Behandlungen, aus Warten und Hoffen. Und auch allzu oft immer wieder großer Enttäuschung. Meist ist die medizinische Betreuung in dieser Zeit intensiv und gut. Aber die psychologische Begleitung bleibt häufig auf der Strecke.

Eine lange und schwierige Kinderwunschzeit ist nicht nur körperlich eine Tortur. Auch auf seelischer Ebene wird den Eltern wahnsinnig viel abverlangt. Hinzu kommt, dass Eltern diesen Weg meist recht alleine gehen, weil weder Familie noch Freunde eingeweiht sind. Oder manchmal trifft die Offenheit der Eltern bezüglich ihres Kinderwunschweges auf ein nicht unbedingt verständnisvolles Umfeld. Auch der hohe finanzielle Aufwand ist nicht zu unterschätzen.

In der Regel haben die Eltern also bereits so einiges an auch hohen Belastungen erlebt, bis sie letztendlich ihr Baby in den Armen halten dürfen. Und diese Belastungen und ihre Auswirkungen sind mit der Geburt nicht einfach weggewischt. Ganz im Gegenteil wird vieles im hormonellen Ausnahmezustand von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett noch einmal ganz anders wahrgenommen und bewertet. Und gleichzeitig ist da ein Neugeborenes, dass erst einmal den Alltagsablauf vorgibt. Viel Raum und Zeit bleibt da nicht, über die Vergangenheit nachzudenken. Doch sie sollte auch nicht verdrängt werden, denn vieles wird davon beeinflusst.

Hoffnung, Sehnsucht und Zuversicht aber auch Angst, Trauer oder Neid

Auch für die Beziehung kann die Kinderwunschzeit eine große Belastung sein, obwohl ich es oft erlebt habe, dass es Paare sehr gestärkt hat, gemeinsam diese schwierige Zeit gemeistert zu haben. Aber auch dann sind die Elternakkus nicht unendlich belastbar. Und oft erlauben sich gerade die Väter gar nicht, über Anstrengung oder Trauer zu reden. Denn natürlich erleben sie die unmittelbare hohe körperliche und psychische Belastung ihrer Partnerin. Viele Männer haben den Anspruch an sich, dann der Fels in der Brandung sein zu wollen. Und es ist auch gut, wenn sie das irgendwie sein können.

Für die allermeisten Eltern ist die Inanspruchnahme der Reproduktionsmedizin auf dem Kinderwunschweg kein Spaziergang. Auch wenn sich das alles in der Hochglanzbroschüre der Kinderwunschklinik anfangs gar nicht so schwierig angehört hatte. Bei machen Eltern verläuft das Ganze auch recht zügig und scheinbar „einfach“. Für viele aber gehören Enttäuschungen und Rückschläge sowie viele körperliche Nebenwirkungen mit dazu.

Ich frage Eltern in der Hebammenbetreuung stets nach ihrem Kinderwunschweg, denn schließlich bringen alle Eltern ihre ganz persönliche Geschichte mit in die Schwangerschaft und die Elternschaft hinein. Es beeinflusst viele Entscheidungen, zum Beispiel auch bezüglich der Geburt. Das Verarbeiten des Erlebten beginnt meist erst, wenn das lang ersehnte Baby da ist, oft auch erst, wenn es schon etwas älter ist. Für manche Eltern wird es auch erst wieder zum Thema, wenn sich der Wunsch nach einem weiteren Kind einstellt.

Kinderwunschgeschichten mit gemeinsamen Nenner

Für viele Eltern ist es erleichternd, einmal auszusprechen, was sie auf ihrem Weg erlebt haben und wie es ihnen damit geht. Mit den stetig wechselnden Gefühlen zwischen Hoffnung, Sehnsucht und Zuversicht aber auch Angst, Trauer oder Neid. Auch ist es wichtig zu hören, dass es anderen Menschen ähnlich oder genauso geht. Und ja, die Kinderwunschgeschichten, die mir Eltern anvertrauen, haben viele gemeinsame Nenner mit denen anderer Eltern. Auch in Kinderwunschforen finden Eltern meist die Bestätigung, dass sie nicht allein mit ihren Gedanken und Gefühlen sind.

Wenn das Baby erst mal da ist, möchten manche auch erst einmal komplett Abstand von dem Erlebten. Nahezu alle Eltern, die auf diesem Wege Eltern geworden sind, bestätigen aber, dass sie es trotz aller Mühen wieder so machen würden. Doch neben dem großen Glück, dass das ersehnte Kind da ist, darf auch Trauer und Schmerz existieren, dass der Weg dahin so beschwerlich war. Und das darf und sollte ausgesprochen werden. In der Behandlungszeit kommt dieser Aspekt oft zu kurz. Ein körperlich und emotional anstrengender Kinderwunschweg sollte aber ebenso Raum zur Verarbeitung bekommen wie eine vielleicht komplizierte Schwangerschaft oder eine schwere Geburt. Denn der Weg zu unseren Kindern beginnt nicht immer erst mit dem positiven Schwangerschaftstest, sondern schon lange davor.

Bücher zum Thema:
Gelassen durch die Kinderwunschzeit (Birgit Zart) | Endlich Papa – Ein unfruchtbarer Mann erzählt, wie sich sein Traum vom eigenen Kind erfüllte (Christian Eigner) | Kinderwunsch: Die besten ganzheitlichen Rezepte, um natürlich schwanger zu werden (Birgit Zart)

Lesenswert im Netz zu diesem Thema:
Erfahrungen und Gedanken einer Mutter zur KinderwunschbehandlungVaterwunsch: Blog eines Mannes über seine Kinderwunschzeit | Kindersehnsucht: Blog eines Kinderwunsch-Coach

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Kommentare

7 Antworten zu „Der lange Weg zum Kind“

  1. A
    Antonia

    Liebe Anja,

    Du hast so Recht! Mein Sohn (jetzt 4 Monate und 2 Wochen alt) ist nach zwei Jahren Kampf, insgesamt 4 OPs bei meinem Mann und mir im siebenten (!) Versuch der künstlichen Befruchtung entstanden. Während dieser Zeit habe ich bereits zwei Fehlgeburten gehabt und auch mein Sohn hatte am Anfang noch einen Zwilling, den ich leider wieder gehen lassen musste. Natürlich war diese Zeit hart und sehr verkopft. Nichts zählte außer der Terminplan für meinen Zyklus, Hormonwerte und der Zeitpunkt für die nächste Spritze. Nach den vorhergegangenen Fehlgeburten und dem Abort des Zwillings war meine Schwangerschaft zunächst natürlich akribisch überwacht – bis zur 12. Woche hatte ich mehr als 20 Ultraschalltermine! Als das erste Trimester überstanden war und mein Kleiner sich gut zu entwickeln schien, habe ich dann ganz bewusst auf Ärzte und ihre Technik verzichtet. Die Vorsorge hat eine ganz wundervolle Hebamme übernommen. Es war heilsam, dass sie mich wie eine ganz normale Schwangere behandelt hat. Trotz habituellen Aborten, Zustand nach ICSI, Rh- und Faktor V Leiden hat sie mich nicht wie eine Hochrisikoschwangere behandelt, ja wir haben nicht mal viel über die Kinderwunschsache gesprochen. Das war genau richtig für mich. Ich hatte es geschafft, jetzt wollte ich einfach nur diese Schwangerschaft genießen. Dem Baby und mir ging es prima, ich war erstaunlich entspannt und wir planten eine Hausgeburt.
    Doch aus dem sanften, natürlichen Happy End wurde nichts. Nach 24 Stunden Eröffnungswehen alle 3 Minuten sind wir mit einem Geburtsstillstand bei 8cm Muttermund in die Klinik gefahren. Dort gab es eine PDA (wegen der Erschöpfung und damit sich alle etwas entspannt), ein wenig Schlaf und dann einen voll aufgedrehten Wehentropf. Nach weiteren 12 Stunden in der Klinik war zwar der Muttermund vollständig, doch das Köpfchen bewegte sich nicht ins Becken und so kam es, wie es kommen musste – sekundäre Sectio nach 36 Stunden Kampf. Und viel schlimmer als alles andere empfinde ich nun das Gefühl versagt zu haben. Nicht nur, dass wir alles was die Medizin zu bieten hat brauchen um überhaupt schwanger zu werden. Ich schaffe es nicht mal aus eigener Kraft mein Kind zur Welt zu bringen.
    Auch was das Stillen angeht, stimme ich Dir zu. Ich stille meinen Sohn voll und wir haben eine wunderschöne Stillbeziehung. Es ist sehr innig, gemütlich und einfach sehr praktisch. Doch auch dahin war es ein schwieriger und manchmal sehr verbissener Weg. Ich hatte am Anfang schlimm mit so wunden Brustwarzen zu kämpfen, dass sie über Wochen blutig waren. Wenn ich nicht nach allem was vorher war so unbedingt hätte stillen wollen, hätte ich sicher irgendwann aufgegeben. Doch so hat mir schlichte Sturheit und ein unerschütterliches Baby geholfen es zu schaffen und sogar die Stillhütchen wieder loszuwerden.
    Das Erstaunlichste an all dem ist, dass ich es dennoch nicht als Trauma empfinde. Meine Schwangerschaft war schön, die anstrengenden Wehen zuhause waren positiv und kraftvoll, auch nach einer Sectio war es unbeschreiblich sein Kind zum ersten Mal im Arm zu halten, auch mit wunden Brustwarzen ist es ein erhebendes Gefühl sein Kind aus eigener Kraft ernähren zu können. Und mit jedem einzelnen Tag mach mich dieses kleine Wesen noch ein Stücken glücklicher.
    Genau deswegen würde ich es jederzeit wieder tun. Ich habe sogar fest vor es noch mehrmals zu tun. Sowie mein Sohn sich abgestillt hat, nehmen wir das Projekt Geschwisterchen 1 in Angriff. Hoffentlich wird es leichter, als beim ersten Mal!

    Liebe Grüße,
    Antonia

    1. A
      Anja

      Liebe Antonia,

      vielen Dank für Deinen persönlichen und ehrlichen Bericht. Einen wirklichen „Marathon“ habt Ihr da hinter Euch… Wie wunderbar, dass Euch die vielen guten Momente soviel Kraft zurückgegeben konnten, die die anstrengende Kinderwunschbehandlung Euch abverlangt hat.
      Ich wünsche Euch weiterhin alles Gute mit Eurem Kind (und für vielleicht folgende Kinder) 🙂

      Liebe Grüße, Anja

  2. M
    Mama Blume

    Ich hab unseren Weg mit „Bestehen“ der 12. Woche komplett verdrängt.. zwar flackerten die Erinnerungen kurz nach der Geburt nochmal auf, als meine Tochter mit einer schweren Gelbsucht im Krankenhaus lag und wir das erste Weihnachtsfest als Familie getrennt verbringen mussten, aber direkt danach hab ich alles komplett ausgeblendet.
    Jetzt, mit diesem Text, kommt plötzlich alles wieder hoch und ich weiß garnicht, wohin mit all meinen Gefühlen, der Trauer, die Wut, die ichdamals auch auf mich empfand. Und die Angst, die ich immernoch manchmal habe, dass das zweite Kind genauso kompliziert werden könnte..
    Ich hab nie wieder drüber geredet weil das alles so schmerzhaft war und ich glaub grad, das war ein Fehler 🙁

    1. A
      Anja

      Liebe Mama Blume,

      auch wenn es sich vielleicht gerade schmerzhaft und traurig anfühlt, ist es doch meist gut, wenn bisher „vergrabene“ Gefühle wieder hochkommen. Das ist immer der erste Schritt zur Verarbeitung und zur Heilung. Gibt es in Deiner Wohnregion Optionen, sich dabei helfen zu lassen?
      Für Berlin könnte ich Dir konkrete Anlaufstellen empfehlen.
      Vielleicht kannst Du ja auch noch mal Deine Hebamme kontaktieren, die bestimmt auch entsprechende Kontakte hat.
      Es ist bestimmt gut und auch wichtig, sich jetzt damit zu beschäftigen, um auch damit „den Weg frei zu machen“ für ein weiteres Kind, wenn Du Dir das wünscht.
      Ich wünsche Dir alles Gute.

      Liebe Grüße, Anja

  3. F
    Flora

    Liebe Anja, das Buch, welches unter anderem auf deinem Foto zu sehen ist: Birgit Zart, Gelassen durch die Kinderwunschzeit, habe ich damals gelesen und fand es ganz wundervoll. Es hat mir sehr geholfen, bestehende Ängste abzubauen. Und es geht das Thema Empfängnis aus einer wohltuenden ganzheitlichen Sicht an.

    1. L
      Lumia

      Liebe Anja,

      Unser Wunder ist nun 5 Monate alt und ich merke wie mich das alles jetzt erst einholt – 3 Jahre geübt, dann alle möglichen Tests bis zur unbefriedigenden Diagnose der ideopathischen Sterilität, dann eine IVF mit Totalversagen und nach Monaten Kampf mit der KK unser anstrengender Glücksversuch. Die SS war problemlos, aber mein Mann hätte sehr gelacht beim lesen deines Artikels weil wir wirklich genau diese Situation hatten: am Abend des ET lag ich untröstlich flennend im Bett und habe erzählt das ich das eh nicht schaffe, ich hab schon das schwanger werden nicht hinbekommen, also krieg ich auch die Geburt ohne Sektio nicht hin . Am Ende klappte es nach kurzem Stillstand (ich hätte mir von meiner Beleg Hebamme hier etwas mehr Geduld gewünscht) mit PDA und Tropf bei 40+1 zur vaginalen Geburt mit schnitt und riss . Durch den Blutverlust hatte ich keine Milch und wir haben nach anfänglicher Flasche über 4 Wochen ums stillen gekämpft, dann kamen noch Hürden wie Zungenbändchen und Plazentareste hinzu, aber wir haben es geschafft! Unser Baby ist super entspannt und lieb und trotzdem war es manchmal anstrengend….ich merke jetzt manchmal wie die Trauer kommt das es so erst funktioniert hat und es hat glaube ich viel daran gelegen dass ich mir selber nie das Recht zugesprochen habe trauern zu dürfen: wir haben es geschafft, wir haben ein gesundes Baby, eine gesunde Mama und eine wunderschöne Zeit als kleine Familie- da zu trauern fühlt sich gegenüber all den Eltern die noch kämpfen unfair an…und trotzdem muss es sein, und trotzdem gibt es Momente wo dieses hart erkämpfte kleine Wunder mich ein wenig überfordert und ich es zu Papa geben muss: das macht keine schlechte Mutter aus mir, dass heißt nicht das ich es nicht verdient habe – das ist normal! Und diese normale Geduld mit uns, dieses Verständnis für uns müssen wir KiWu Frauen erst wieder lernen nach all den Jahren in denen wir nur stark sein mussten und nach jedem mal hinfallen direkt wieder aufgestanden sind, das Krönchen grade gerückt haben und weitermarschiert sind!

  4. D

    Liebe Anja,

    ich habe da ähnliche Erfahrungen gemacht. Für meine Tochter waren drei ICSIs erforderlich. Die Schwangerschaft konnte ich wirklich genießen – nach einem wirklich fiesen HCG-Krimi (wegen zunächst Zwillingen) überkam mich ab der 6. SSW die absolute Gewissheit, dass alles gut werden wurde.

    Allerdings war es tatsächlich so, dass die ersten Monate eine schwierige Zeit war, weil ich so schlecht darauf vorbereitet war. Also in der Theorie nicht – ich hatte alles verschlungen – leider gab es damals noch nicht – wie heute – auch Bücher, die AP behandelten. Also war ich völlig verunsichert von dem an mir klebenden, nicht schlafenden Baby. Ich habe es mir unnötig schwer gemacht, weil ich so einen hohen Perfektionsanspruch hatte – und ja, daran war definitiv der Weg schuld. Wie kann man sich ein Kind so sehr wünschen, diesen schweren und teuren Weg gehen und dann so versagen? Das hat mir sehr zu schaffen gemacht.

    Liebe Grüße
    Danielle

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