So ein Wochenend-Geburtsvorbereitungskurs mit werdenden (Erst-)Eltern ist meist eine große Glücksansammlung. Die Paare haben sich ein Wochenende Zeit genommen. Sie haben den Tag vielleicht mit einem leckeren Frühstück im Lieblingscafé begonnen. Nun sitzen sie erwartungsvoll da und lauschen, was die Hebamme zu erzählen hat. Oft halten sie Händchen oder die Männer streicheln versonnen den Bauch ihrer Liebsten. Und dann erzählen wir von der Geburt, was sie erwartet, was unterstützt. Die Paare hören zu und wissen, da kommt etwas Großes auf sie zu – mit einem wundervollen und sehnsüchtig erwarteten Ergebnis.
Wir erzählen auch von der Zeit danach, dem Wochenbett, der Umstellung, den neuen Herausforderungen und auch davon, was das für die Paarbeziehung heißt. Hier hören die zukünftigen Neueltern immer ein bisschen weg. Ich kann es verstehen. Denn erstens passt das nicht in dieses harmonische Setting. Und zweitens wird es bei einem selbst schon nicht so schlimm werden. Selbst als Hebamme, die auch schon vor den eigenen Kindern viele Familien auf dem Weg ins Elternleben begleitet hat, lebte ich in der ersten Schwangerschaft in dieser „Wir kriegen das alles super hin“-Blase. Meine weise Hebamme warnte mich allerdings schon beim ersten Kind: „So oft anzicken bzw. streiten wie im ersten Jahr mit Baby werdet ihr euch nie wieder“. Recht hatte sie.
Das ist leider auch beim zweiten und dritten Kind nicht anders. Aber man weiß nun immerhin, dass das vorbei geht (wenn man sich nicht vorher schon getrennt hat). Ein Kind verbindet zwei Menschen wie nichts anderes. Trotzdem ist es keine leichte Aufgabe, das Beziehungsfundament im ersten Babyjahr zu pflegen. Als Christian knapp zwei Monate nach der Geburt des dritten Kindes beruflich (Vergnügungstermine gab es erst mal nicht mehr bzw. nur mit Missmut des zu Hause bleibenden Elternteils) zur Premiere des neuen Bond-Films eingeladen war, ergab sich folgendes Bild. Da dort quasi Anzugpflicht herrschte, stand ein aufgehübschter Mann im Flur neben einer völlig übermüdeten, vollgekotzten und ungekämmten Frau in Pyjama-Hose mit Baby auf dem Arm.
So ein Anblick ist nur beziehungsfördernd, wenn man das Ganze mit sehr viel Humor nehmen kann. Beim dritten Kind gelang uns das persönlich schon besser. Wir wussten: Es ist zum Glück alles nur eine vorübergehende Phase, in der uns die Kleinsten so sehr brauchen, dass manchmal die alltäglichsten Dinge auf der Strecke bleiben.
Eltern werden – Paar bleiben
Die Trennungsquote in den ersten Jahren mit Kind ist hoch. Das liegt aber weniger an den ungekämmten Haaren und der Pyjamahose als an den ewigen Streitereien. Ein paar Maßnahmen gibt es aber schon, die das Leben zu dritt oder viert oder fünft etwas leichter machen.
- Wer sich streitet, sollte mal genau hinschauen, worum es geht. Sind der nicht gemachte Abwasch, die rumliegenden Windeln oder die Grundsatzfrage, bei welchem Wetter das Baby nun die Wollmütze braucht der Grund, ist alles in Ordnung. Ihr belügt oder betrügt euch nicht und seid beide mehr als bemüht ums Baby. Und an der Gesprächskultur kann man arbeiten. Wenn man mal wieder etwas mehr geschlafen hat…
- Rausgehen! Wenn dicke Luft in der Wohnung ist, den Ort ändern. Das Baby ins Tragetuch und spazieren gehen zum Beispiel, egal welches Wetter und welche Uhrzeit gerade ist. Man wird sich danach besser fühlen. Das hilft auch später bei motzenden und trotzenden Kleinkindern.
- Ein Tipp an die Väter: Nicht von der Arbeit nach Hause hetzen und völlig unentspannt dort ankommen. Lieber 20 Minuten Zeit für einen Kaffee oder ein kurzes Telefonat mit dem besten Freund nehmen und halbwegs relaxt zu Hause ankommen. Dort wartet sehnsüchtig eine Partnerin, die vielleicht endlich mal duschen oder einen Happen essen möchte. Das hat sie nämlich den ganzen Tag nicht geschafft, mit Baby auf dem Arm. Wenn in solchen Situationen beide gestresst sind, knallt es gerne mal. Das gilt auch umgedreht, wenn Väter die Elternzeit mit allem, was dazu gehört übernehmen.
- Ansprechen, wenn einer unzufrieden mit der momentanen Situation ist. Alle Pläne, die man in der Schwangerschaft macht, beruhen auf theoretischen Annahmen. Der Babyalltag sieht dann vielleicht doch ganz anders aus und es müssen an der einen oder anderen Stelle neue Pläne gemacht werden.
- Hilfe holen! Auf die Fernreise verzichten (ist vielleicht ohnehin wenig entspannend mit Baby) und lieber in eine Putzfee investieren. Diskussionen über Haushaltsaufgaben sind echte Beziehungskiller.
- Liefern lassen! Den Einkauf online bestellen und liefern lassen (geht leider meist nur in den Großstädten). Aber auch Essen gehen oder bestellen vereinfacht das Leben ungemein.
- Eigene kurze Auszeiten organisieren! Gerade wenn das Baby anfangs quasi auf der Mutter wohnt, ist oft der Wunsch nach einer Badewanne – ganz allein nur mit sich selbst – größer als nach innigem Gekuschel mit dem Partner.
- Freunde! Freunde mit Kindern, die das alles auch kennen und einen einfach in den Arm oder auch das Baby mal auf den Arm nehmen. Kinderlose Freunde sind auch wichtig, um mal wieder über den Babyhorizont hinaus zu blicken. Aber gerade am Anfang, braucht man primär Menschen, die genau wissen, wie es einem gerade geht. Wenn man die bisher noch nicht hat, kann man Rückbildungs-und Babykurse oder Vätercafes als „Kontaktbörse“ nutzen.
- Von Ratschlägen wie „Nehmen Sie sich Zeit, miteinander zu sprechen. Verabreden Sie sich exklusiv mit ihrem Partner…“ nicht verunsichern oder unter Druck setzen lassen. Für all das ist wenig Zeit und ein Babysitter in den ersten Monaten ist für die meisten Eltern auch keine wirkliche Option, weil weder Baby noch Mutter wirklich entspannt längere Zeit ohne einander verbringen können. Wer zu müde für großartige Gespräche ist, kuschelt sich lieber zusammen aufs Sofa und schaut eine DVD (kurze Sachen bevorzugen…). Das ist okay und es kommen bessere Zeiten – versprochen!
- Von der Idee verabschieden, perfekte Eltern werden zu wollen! Fürs Kind seid ihr das sowieso – auch in der unordentlichen Wohnung ungekämmt in der Pyjamahose mit dem Essen vom Lieferdienst auf dem Teller (oder auch in der Pappschachtel). Mittelmaß rettet gerade im ersten Jahr den Familienfrieden und die Beziehung. Die Väter können das übrigens meist besser umsetzen…
- Das momentane innerliche und äußerliche Chaos mit Humor nehmen statt übereifrig dagegen anzuarbeiten. Es wird alles wieder leichter werden. Lieber die Zeit miteinander genießen. Ein bisschen Chaos wird sowieso bleiben, bis die Kinder groß sind:
„Die Kinder sind uns nur kurz geliehen,
bis sie erwachsen von uns ziehen.
Dann wird alles aufgeräumt,
dann läuft der Haushalt wie erträumt.
Jetzt aber freu’n wir uns an unseren Gören
und lassen uns dabei nicht stören.“
(Haustürspruch – Verfasser unbekannt)
Dieser Artikel wurde im Mai 2016 aktualisiert.
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