Unser drittes Kind wurde im Kreise seiner Familie geboren. Christian, unsere beiden Töchter und eine liebe Freundin waren neben den beiden Hebammen anwesend. Für uns war das richtig und wichtig so. Da der Sohn zu Hause zur Welt kam, hat es auch niemanden interessiert, wer und wie viele Menschen da nun dabei sind oder auch nicht. Andere fühlen sich am wohlsten zu zweit, manche Frauen möchten gerne ganz alleine bei der Geburt sein. Selbst die Hebamme soll- zumindest phasenweise- am besten im Raum nebenan wachen. Auch das ist ebenso okay wie der Wunsch nach vielen Besuchern, die der Geburt beiwohnen sollen.
Doch wie lassen sich alle diese verschiedenen Bedürfnisse im Kreißsaal einer Klinik unter einen Hut bekommen? Die einfache Antwort: gar nicht. Und deshalb muss man einen Kompromiss finden. Der heißt in vielen Kliniken: Es sind maximal zwei Begleitpersonen erlaubt und Kinder haben in der Regel keinen Zutritt zum Kreißsaalbereich. Diese Regelungen dienen auch dazu, den Frauen unter der Geburt ein bisschen Privatsphäre zu gewähren.
Allerdings bedeutet das in einer Klinik mit fünf Kreißsälen immer noch, dass dort bei voller Belegung zehn Besucher herumrennen. Und die müssen mal auf die Toilette, wollen frische Luft schnappen oder sich etwas zu essen holen. Deshalb herrscht oft ein ständiges Kommen und Gehen im Kreißsaalbereich.
Besucher stürmen den Kreißsaal
An manchen Tagen hat man mehr damit zu tun, Besuchern die Türen aufzuhalten, als Frauen bei der Geburt zu begleiten. Denn Kreißsäle lassen sich in der der Regel nur betreten, nachdem man geklingelt und jemand die Tür geöffnet hat. Dies verhindert zumindest, dass noch mehr Menschen plötzlich im Kreißsaal stehen, die sich einfach nur verlaufen haben. Türen öffnen ist nun das eine, aber noch viel mehr hat man mit Diskussionen zu tun, die sich darum drehen, dass nicht nur zwei, sondern gleich vier oder fünf Menschen mit in den nicht allzu großen Kreißsaal wollen.
Und manchmal geht dieser Wunsch gar nicht von der Gebärenden selbst aus, sondern andere Familienmitglieder haben sich überlegt, dass das doch „ganz nett“ wäre. Und dann muss man als Hebamme diskutieren und auf interne Regelungen hinweisen. Manchmal muss man sich dann auch von darüber empörten Besuchern anschreien lassen oder sie ignorieren einen völlig, quetschen sich durch die Tür an einem vorbei und stürmen den Kreißsaal. Viele haben aber auch Verständnis.
Trotzdem ist es schwierig, wenn zum Beispiel keine Betreuung für das mitgekommene Kleinkind vorhanden ist. Es ist ein ewiger Balanceakt zwischen dem Versuch, die individuellen Wünsche des einen zu berücksichtigen, ohne das Recht eines anderen auf zumindest etwas „Privatsphäre“ zu beeinträchtigen. Und es fühlt sich allzu oft nach einem faulen Kompromiss an. Aber vor allem raubt einem das Finden der Kompromisse und das ewige Diskutieren währen der Arbeit unglaublich viel Zeit, von der man ohnehin nicht viel hat. Zeit, die eigentlich der Frau unter der Geburt zustehen sollte und nicht ihren Besuchern. Andererseits aber sind genau die ja auch so wichtig für sie. Ein kleines Dilemma, eines von vielen im Kreißsaal…
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