Die freundliche Frau am Einlass des Kindermuseums erklärt uns, welche Aktionen es heute gibt. Die Kinder könnten beispielsweise selbst Badesalz herstellen. Oder Traumfänger basteln. Sofort korrigiert sie sich mit dem Satz: „Ähh, ich meine kreativ sein. Basteln darf ich ja nicht mehr sagen…“ – und sofort müssen wir beide grinsen. Auch bei Museumspädagogen darf also mittlerweile nicht mehr nur noch gebastelt, gesungen oder gespielt werden. Die Kinder müssen sich kreativ betätigen, musisch gebildet werden oder an einem Bewegungsangebot teilnehmen.
Ja, die Eltern von heute verlangen da schon ein bisschen mehr als noch zu den Zeiten unserer Kindheit. So wird auch gerne beim Informationsnachmittag in der Kita gefragt, wie denn das Angebot an musikalischer Früherziehung gestaltet sei. Und die Erzieher antworten: „Wir singen und tanzen viel und gerne mit unseren Kindern hier.“ Und das tun die Kinder auch sehr gern. Einfach, weil es schön ist und Spaß macht. Sie lernen sowieso den ganzen Tag – bei allem was sie tun. Auch „banales Spielen“ ist niemals sinnlos.
Doch die Wortoptimierung beginnt schon im Babyalter auf der Suche nach dem besten Frühförderungskurs. PEKIP, DELFI und FenKid hören sich irgendwie gehaltvoller an als Krabbelgruppe oder Babytreff. Und es stehen da ja auch oft wirklich gut durchdachte Konzepte dahinter. Allerdings geht die Leiterin der vielleicht unprätentiös klingenden Eltern-Kind-Gruppe in der Regel weder völlig planlos noch frei von Wissen in ihre Arbeit.
Aktionskunst versus Basteln
Der allgemeine Trend, Dinge durch das Benutzen komplizierter Wörter aufzuwerten, geht also auch nicht an den Aktivitäten unserer Kinder vorbei. So wird in der Kreativwerkstatt herbstliche Aktionskunst entwickelt. Trotzdem kommt das Kind am Ende mit einem selbst gebastelten Kastanienmännchen nach Hause, auf dass es einfach stolz ist – und die Eltern ja sowieso.
Auch aus Kindergärten wurden irgendwann Kindertagesstellen. Dabei ist doch das Bild eines Gartens, in dem die Kinder gut gehütet wachsen und gedeihen können, irgendwie viel schöner. Die Kindergärtner:innen, die sie dabei begleiten, müssen sich nun aber auch Erzieher:innen nennen. Und sie müssen frühkindliche Bildungsarbeit mit den Kleinsten betreiben.
Diese Umbenennungswelle schwappte über viele Stellen – auch in meinem Berufsleben. Während ich 1997 noch ein Examen als Krankenschwester ablegte, werden die Patienten heute größtenteils von Gesundheits- und Krankenpflegerinnen- und pflegern betreut. Ehemals Kinderkrankenschwester genanntes Fachpersonal muss jetzt sogar 34 Buchstaben auf dem Namensschild für den Arbeitstitel unterbringen. So mancher Patient oder Angehörige fragt trotzdem verwirrt beim Blick auf die lange Berufsbezeichnung: „Und wann kommt eigentlich die richtige Krankenschwester?“
Es ist noch nachvollziehbar, dass man von dem religiös geprägten Wort der Schwester wegwollte, aber dass man das Wort „Gesundheit“ ergänzte, hat leider auch nicht dafür gesorgt, dass dieser wichtige und anstrengende Beruf nur ansatzweise unter besseren Arbeitsbedingungen statt findet. Wie überall in den Kliniken fehlt es auch hier an allen Ecken und Enden an Personal. Und an einer vernünftigen Vergütung sowieso.
Ich bin gespannt, wann jemand auf die Idee kommt, aus dem Wort Hebamme die „Geburtenmanagerin“, wahlweise vielleicht auch gleich eine „Birth Controllerin“ oder eine „Pregnancy Consultant“ zu machen… Bessere Arbeitsbedingungen wird es dadurch wahrscheinlich auch nicht geben. Und nach besserer Begleitung für die Mütter klingt das schon gar nicht. Ohne mich dem Fortschritt also zu verwehren, denke ich, dass Basteln einfach Basteln bleibt – und Hebamme bleibt Hebamme. Und ich glaube, dass die Museumsmitarbeiterin sich in etwa auch so etwas denkt.
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