Das erste Babyjahr ist eine Zeit voller Herausforderungen. Doch oft wird gerade Ersteltern gesagt oder auch suggeriert, dass es „leichter“ wird, wenn erst diese oder jene Phase vorbei sei. Und nicht wenige Eltern haben genau diese Erwartung, wenn zum Beispiel erst das Wochenbett mit seiner hohen emotionalen Labilität vorüber ist.
Oder die ersten drei Monate, in denen vielleicht das Gebärmutterheimweh besonders intensiv von Eltern begleitet werden muss. Oder auch die Verdauung des Kindes sich an die neue Aufgabe gewöhnen muss – mal mit mehr, mal mit weniger Beschwerden und Weinphasen, die auch für die Eltern durchaus kräftezehrend sind. Ist das aber erst mal „geschafft“, dann wird alles leichter? Oder doch nicht?
Wenn ich auf unsere eigenen vier Babyzeiten und vor allem meine Erfahrungen als Hebamme im ersten Babyjahr zurückblicke, bleibt eher eine andere Erkenntnis. Es wird nicht unbedingt leichter, es wird eher anders. Und anders kann mal leicht und mal schwer sein. Die Phasen im ersten Babyjahr geben sich die Klinke in die Hand. Wird es mit drei, vier Monaten gerade etwas entspannter, kommen vielleicht kurz darauf die ersten Zähnchen und bringen erneute Unruhe mit sich. Oder neue, noch nicht ganz vollendete Entwicklungsschritte sorgen beim Baby für Frust. Und für Frustabbau durch vermehrtes Weinen, welches Eltern erneut herausfordert.
Auch das Schlafen ist so eine Sache. Vom anfangs sehr fragmentierten Neugeborenenschlaf geht es über zu längeren Phasen ununterbrochenen Schlafes. Viele Eltern berichten mit rund vier Monaten alten Babys von einer erhöhten Schlafqualität auch für sie selbst. Dies kann aber in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres schon wieder anders aussehen. Denn dann werden im Durchschnitt Babys nachts wieder häufiger wach. Da auch am Tage die Schlafphasen des Babys abnehmen, beklagen Eltern den persönlichen Schlaf- und Erholungszeitenmangel in dieser Zeit oft besonders stark. Über die so genannte Halbjahreskrise hatte ich hier schon mal geschrieben.
Helfen, Umsorgen, Bekochen, Zuhören
Statt Eltern zu sagen, dass alles immer leichter wird, erzähle ich lieber, wie sich die Dinge im ersten Lebensjahr bei den meisten Babys so entwickeln. Wenn Eltern wissen, dass Babys zwischen der 3. und 6. Lebenswoche meist unruhiger werden und längere Schreiphasen haben, wissen sie es dann besser einzuordnen. Es geht nicht darum, Eltern Angst zu machen, dass alles „ganz schlimm“ werden wird.
Es geht viel mehr darum, sie darauf vorzubereiten, dass die Versorgung eines kleinen Menschen im ersten Lebensjahr eine wirklich anspruchsvolle Aufgabe ist. Und dass die Herausforderungen nicht mit dem Wochenbett vorbei sind. Oft sind dann aber das Verständnis für junge Eltern und die Unterstützung vorbei oder zumindest deutlich reduziert.
Doch das Helfen, Umsorgen, Bekochen, Zuhören und in den Arm nehmen ist manchmal fast noch nötiger, wenn das Baby „schon“ sechs Monate statt erst sechs Wochen alt ist. Denn dann kommen eben viel mehr externe Erwartungen und Verpflichtungen obendrauf. Und trotzdem fühlt man sich so müde wie noch nie.
Es wird anders – und das eben ständig
Und nur, weil sich Bauch und Beckenboden vielleicht wieder etwas stabiler anfühlen, ist der Körper noch längst nicht aus der Regenerationsphase heraus. Nur weil sich das Stillen gut eingespielt hat, ist das Risiko für einen Milchstau oder andere Stillprobleme dennoch gegeben. Nur weil man in das Mutter- oder Vatersein schon gut hineingewachsen ist, gibt es Tage, an denen man komplett überfordert von den kindlichen und den eigenen Bedürfnissen ist. Und man sich alles andere als kompetent fühlt.
Neben diesen babyschweren Tagen gibt es auch viele wundervolle babyleichte Tage, an denen man über mindestens ein bis drei weitere Kinder nachdenkt. Das erste Jahr mit Kind ist eine emotionale Achterbahnfahrt. Eltern müssen dafür ihre Kräfte gut einteilen. Sie müssen in den unkomplizierteren Phasen die Akkus wieder auffüllen für anstrengendere Zeiten. Statt Erholung stehen dann aber oft etliche andere Missionen an. Doch auch an guten Tagen ist weniger oft mehr. Und einfach mal „nichts tun“ sollte ein ebenso wichtiger Punkt auf der To-do-Liste sein, wie alles andere.
Es wird nicht alles leichter, weil das Baby ein bestimmtes Alter erreicht hat. Zwingend schwerer wird es aber auch nicht. Es wird anders – und das eben ständig.
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