Ob eine Mutter bereits ist, längere Zeit oder sogar die Nacht ohne Baby oder Kind zu verbringen ist ganz unterschiedlich und sagt auch sicher nichts über die Bindungsqualität aus. Zudem drücken Eltern ja nicht irgendwem auf der Straße ihr Kind in die Hand und ziehen von dannen. In der Regel ist der „Babysitter“ – ob nun der Vater, die Großeltern oder eine andere vertraute Bezugsperson – ja mit Bedacht ausgewählt. Auch der Anlass für die mütterliche Abwesenheit ist in der Regel etwas, was die Mutter sich gut überlegt hat, sei es ein beruflicher Grund oder die nötige persönliche Auszeit, die vielleicht dafür sorgt, dass komplett erschöpfte Akkus wieder aufgefüllt werden. Doch als ich letztens in einer großen Zeitung die Anzeige für ein so genanntes Babyhotel sah, schrie alles in mir laut Nein. So steht auf deren Homepage unter anderem:
„Es ist vielleicht der allererste Urlaub für Ihr Baby – und es soll so gemütlich wie zu Hause und gleichzeitig etwas ganz, ganz Besonderes sein. Daher empfangen wir mit unseren speziell ausgebildeten Betreuerinnen die Allerkleinsten ganz groß. Wenn Sie es wünschen, betreuen wir Ihr Baby ab seinem 7. Lebenstag. Wir füttern es, wickeln es und kuscheln mit ihm, während Sie vielleicht einmal ungestört saunieren, schwimmen oder spazieren. Oder einfach einmal ausschlafen – ohne schlechtes Gewissen. Gut schlafen und essen ist für die Kleinen wichtig. In unserem ,Raum der Stille‘ kann ihr Liebling zur Ruhe kommen. Und wenn der Hunger schneller kommt als die entspannten Eltern gibt es ein köstliches Hipp-Babymenü (selbstverständlich auch spezielle Kost für Babys mit Allergien). Mmm, das schmeckt!“
Auch als „Freundin von Baby led weaning“ störe ich mich nicht zuerst am Gläschenbuffet, mit dem das Baby abgespeist werden soll, während die Eltern fürstlich dinieren. Nein, die Betreuueng ab dem 7. Lebenstag ist der Punkt, den ich wirklich bedenklich finde. Und das nicht, weil ich erschöpften Eltern nicht den Luxus eines Hotelurlaubs gönne. Wir Hebammen predigen doch sogar immer, sich im Wochenbett verwöhnen zu lassen.
Im Bademantel zum Buffet?
Aber das Wochenbett gehört ebenso wenig ins Hotel wie ein sieben Tage altes Baby in die Hände einer ihm fremden Betreuerin dieses Hotels. Die ersten Tage und Wochen sind zum Ankommen, Erholen und zum intensiven Kennenlernen da. Natürlich auch für die Eltern, aber gerade für das Baby ist es eine Menge, was es kennenlernen muss. Am entspanntesten funktioniert das für Mutter und Kind zu Hause. Selbst die Krankenhaustage sind vielen Wöchnerinnen schon zu trubelig. Frauen, die aufgrund eigener oder kindlicher gesundheitlicher Probleme länger dort bleiben, haben meist sehr großes Heimweh.
Für das Baby ist es anfangs völlig ausreichend, erst einmal die häusliche Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. Auch die meisten Frauen fühlen sich wahrscheinlich in IHREM Bett oder auf IHREM Sofa wesentlich wohler, als in dem unpersönlichen Zimmer eines Hotels, wo sie wahrscheinlich nicht im Bademantel abends zum Buffet schlurfen können. Auch passen Spa-Bereich und Netzschlüpfer mit großer Wochenflussbinde irgendwie nicht so richtig zusammen. Ich habe jetzt nicht im Babyhotel nachgefragt, wie oft dieses Angebot tatsächlich in Anspruch genommen wird, glaube aber kaum, dass letztendlich allzu viele Wöchnerinnen sieben Tage nach der Geburt im Hotelbett liegen. Aber auch ein Wellnesshotelauftenthalt drei Wochen nach der Geburt kann massive Stillprobleme statt der gewünschten Erholung bringen, wie ich es im Rahmen meiner Hebammenarbeit bereits erlebt habe.
Alles läuft weiter wie bisher…
Selbst wenn viele Eltern die Idee des „Wochenbetturlaubs“ wahrscheinlich ähnlich absurd finden, ärgert mich diese Anzeige trotzdem. Denn so wird gerade Menschen, die selbst noch keine Kinder haben oder das erste Kind erwarten, mal wieder suggeriert, dass sich das Leben mit Kind eigentlich kaum ändert. Das Baby kommt einfach als Bereicherung dazu und alles läuft weiter wie bisher – ob Partnerschaft, Job oder eben auch der Urlaub. Alle Eltern wissen, dass das nicht so ist und dass die Bedürfnisse eines so kleinen Menschen für ganz schön viel Aufregung und auch Stress sorgen können.
Die blumigen Werbetexte der Babybetreuung suggerieren jedoch mal wieder, dass es primär auf die Faktoren „satt und sauber“ ankommt. Dass so ein frisch geschlüpftes Menschlein erst einmal ganz viel Mama braucht um in dieser Welt gut anzukommen und dass es primär die Bindung zu seinen Eltern aufbaut, davon wird kein Wort erwähnt. Das Wochenbett als eine Zeit des Kennenlernens des Babys, als ein erstes Ankommen in der Elternrolle und als eine Phase der Regeneration für die Mutter zu sehen… nein, das würde im Wellnesshotel-Kontext ja auch irgendwie nicht passen.
Sinnvolle Babysehnsucht
Doch massive körperliche Umstellungen, hormonelle Veränderungen, Heilungsprozesse und das In-Gang-Kommen der Milchbildung brauchen Raum und Ruhe und das an einem Ort der Geborgenheit. Genauso wenig, wie sich die Mutter kurz nach der Geburt im Hotelbett geborgen fühlen wird, wird das dem Baby auf dem Arm der Hotelnanny gelingen. Auch im Wochenbett darf eine Mutter natürlich ihr Baby mal abgeben, wenn sie eine wohltuende Massage erhält, sich in der Badewanne erholt oder einfach eine Runde schläft.
Doch dann wird das Baby wahrscheinlich auf dem Arm vom Papa, der Oma, dem Paten oder einer lieben Freundin sein. Denn eine vertraute Person sorgt dafür, dass die Mutter auch entspannen kann. Die Natur denkt sich schon etwas dabei, wenn wir als Mütter ein gewisses Gluckenverhalten an den Tag legen, wozu auch gehört, dass ich nicht jedem mein Neugeborenes entspannt in die Hand drücken kann. Diese innere Unruhe, die dann entsteht, ist evolutionsbiologisch ja vollkommen sinnvoll. So ist sichergestellt, dass wir uns als Mütter um die Kinder kümmern. Am Anfang überkommt uns die große Babysehnsucht schon nach sehr kurzer Zeit, später „verkraften“ wir aber auch Babys längere Abwesenheiten. Wie die Dosis da ausfällt, darf und muss jede Mutter für sich entscheiden. Doch ein sieben Tage altes Baby gehört definitiv zu seinen Eltern ins Wochenbett. Punkt.
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