Den Weg der Akademisierung der Hebammenausbildung verfolge ich schon lange Jahre mit. Nicht nur, weil es auch schon ein ziemlich langer Weg war bisher. Das Thema finde ich berufspolitisch wirklich wichtig. Vielleicht liegt es ein bisschen daran, dass die aktuelle Beirätin für den Bildungsbereich des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) unsere Hebamme beim zweiten Kind war. Yvonne Bovermann hat maßgeblich am vorliegenden Gesetzesentwurf mitgearbeitet.
Sie hat viele Jahre im Geburtshaus gearbeitet. Dazu Gesundheitspädagogik und -management studiert und eine der Berliner Hebammenschulen geleitet, bevor sie hauptberuflich in die Berufspolitik gegangen ist. Schon vor vielen Jahren hat sie mir immer wieder, wenn wir uns meist auf beruflichen Kongressen begegnet sind, leidenschaftlich davon erzählt, wie wichtig und wertvoll die Veränderung der Hebammenausbildung sei. Ich gebe zu, dass ich anfangs, wie wohl so einige Kolleginnen auch, recht skeptisch war. Ist doch alles okay so, wie es ist.
Doch auch mit Blick auf meine eigene Hebammenausbildung ist deutlich, dass die Überführung an die Hochschulen nur ein Gewinn sein kann. Denn so manche meiner Unterrichtseinheiten waren nicht wirklich evidenzbasiert. Sicherlich mit ein Grund, warum ich bereits vor dem Hebammenexamen die ersten Fortbildungen gebucht hatte. Das wirklich relevante Wissen zum Thema Geburtsvorbereitung etwa, die ja mit zur originären Hebammenarbeit gehört, lernte ich erst nach der Ausbildung. In anderen Bereichen wie beim Thema Stillen wiederum hatte ich „Glück“ und schon in der Ausbildung sehr guten Fachunterricht.
Es ist allerdings nicht nur von Schule zu Schule, sondern auch von Fach zu Fach sehr unterschiedlich, wie wo was vermittelt wird. Das Hebammenausbildungsgesetz stammt aus den 1980er Jahren. Vieles hat sich seitdem erneuert. Tätigkeiten haben sich verändert. Es ist viel Neues hinzugekommen. Das eigenständige Arbeiten hat sehr stark an Relevanz gewonnen. Und damit hat sich auch das dazu nötige Wissensspektrum erweitert. Viele Kolleginnen erneuern ihr Wissen stets und ständig. Aber dennoch muss eine berufliche Ausbildung gewährleisten, dass erst einmal die große breite Wissensbasis vermittelt wird.
Hebammenschülerinnen sind kein Ersatzpersonal
So schreibt der DHV zur Frage nach den Veränderungen durch die Akademisierung richtigerweise folgendes:
„Das Studium wird – stärker als die bisherige Ausbildung – durch die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus dem Bereich der Hebammenwissenschaften und der Bezugswissenschaften geprägt sein. Außerdem bekommen die Studierenden wissenschaftliche Methodenkompetenz vermittelt. Ziel ist, dass die Hebammen mit dem Abschluss des Studiums reflektierende und reflektierte Praktikerinnen sind, welche die komplexen Aufgaben und Herausforderungen des selbstständigen Berufes bewältigen können. Hierzu gehört auch die Integration von evidenzbasiertem Wissen in den Berufsalltag.“
Und mal ganz ehrlich, genau das ist auch wichtig. Auch um endlich das den Hebammen bisweilen immer noch anlastende Image der „esoterischen Kräuterhexe“ loszuwerden. Im Bereich der Hebammenwissenschaften hat sich einiges getan in den letzten Jahren. Doch es darf und muss noch mehr werden. Es braucht Hebammen in der Forschung, um wissenschaftlich zu belegen, dass zum Beispiel eine 1:1-Betreuung unter der Geburt nicht nur „dem Gefühl nach eine nette und richtige Sache“ ist, sondern unbedingt notwendig für eine angemessene Geburtsbegleitung.
Dennoch muss sich sicher niemand Sorgen machen, dass fortan alle Hebammen eine wissenschaftliche Karriere antreten wollen, statt in der Praxis zu arbeiten. Die allermeisten Kolleginnen wollen und werden Familien auch weiterhin vor, während und nach der Geburt begleiten. Die, die derzeit nicht mehr oder weniger im Hebammenberuf arbeiten, tun dies aufgrund der Arbeitsbedingungen und nicht, weil sie keine Lust mehr auf den Job haben.
Warum nicht alles beim alten lassen?
Auch die praktische Ausbildung braucht dringend ein Update, denn sie wird bis heute sehr unterschiedlich gehandhabt. Oft „ersetzen“ Hebammenschülerinnen fehlende Hebammen im Kreißsaal, weil sie eben als Personal und nicht primär als Lernende im Dienstplan eingetaktet sind. Genauso sind die in der Praxis anleitenden Kolleginnen meist einfach zusätzlich mit dieser Aufgabe betraut. Wie soll das funktionieren, wenn nicht mal genug Zeit für die Betreuung der Gebärenden selbst bleibt? Auch in diesem Punkt muss sich dringend etwas ändern – und genau das sieht der vorliegende Gesetzesentwurf auch vor, der am 08. November 2019 im Bundesrat verabschiedet werden soll.
Es gibt also genug Gründe, die Ausbildung zu modernisieren. Aber ganz unabhängig davon ist es eine schon seit etlichen Jahren bekannte EU-Vereinbarung, dass die Ausbildung so gestaltet wird, dass auch Hebammen aus Deutschland künftig die automatische Berufsanerkennung innerhalb der EU in Anspruch nehmen können. Bereits 2005 hat die Europäische Gemeinschaft vereinbart, dass die Angehörigen der reglementierten Berufe (Ärztinnen/Ärzte, Zahnärztinnen/Zahnärzte, Tierärztinnen/Tierärzte, Gesundheits- und Krankenpflegende, Apothekerinnen/Apotheker und Hebammen) überall in Europa ihren Beruf ausüben dürfen. Um ein vergleichbares Mindestniveau der Ausbildungen in den Mitgliedsländern zu gewährleisten, wurden in der EU-Richtlinie Mindeststandards für die Zulassung der Ausbildung, die Ausbildung selbst und die Berufsausübung für die genannten Berufe festgelegt („automatische Berufsanerkennung“, Richtlinie 2005/36/EG).
2013 wurde diese Richtlinie geändert (durch die Richtlinie 2013/55/EU) und besonders beim Hebammenberuf die Mindeststandards angehoben. Dazu gehört auch die zwölfjährige Schulausbildung als Zugangsvoraussetzung. Im am Freitag abzustimmenden Gesetz wurde der Zugang zum Hebammenstudium auf Personen erweitert, die eine Ausbildung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erfolgreich absolviert haben.
Frist endet im Januar 2020
Nun stellt man sich vielleicht die Frage, warum nicht einfach alles so lassen wie bisher – nur dass eben die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung anders als bisher sind. Doch genau dies geht eben nicht. Eine solche Zugangsvoraussetzung kann nicht für eine berufsschulische Ausbildung verlangt werden. Es ist nicht zulässig, eine Ausbildung an der Berufsschule ausschließlich für Abiturientinnen und Abiturienten zuzulassen. Damit würde man Absolventinnen und Absolventen eines mittleren Schulabschlusses ohne inhaltlichen Grund von einer Ausbildung auszuschließen. Dies verstößt gegen das Verfassungsrecht, welches die Einschränkung der freien Wahl eines Berufes nur zulässt, wenn dies inhaltlich begründet ist.
In allen europäischen Ländern außer Deutschland wurde in den vergangenen Jahrzehnten die Hebammenausbildung vollständig an die Hochschulen überführt. Diese Reform steht also auch hierzulande dringend an. Die letzte Frist hierzu läuft am 18. Januar 2020 ab. Darum beschäftig sich der Deutsche Bundestag nun also schon länger mit dem dazu vorliegenden Gesetzentwurf und hat diesem in seiner Sitzung am 26. September 2019 mit einigen kleineren Änderungen zugestimmt. Eigentlich könnte man davon ausgehen, dass dieser nun in der anstehenden Sitzung des Bundesrates als Gesetz beschlossen wird.
Und es wird ja auch wirklich Zeit, dass das Hebammenreformgesetz endlich an den Start kommt. Denn erst dann können auch weitere Hochschulen konkret an die Arbeit gehen und die neuen Studiengänge aufbauen. Doch wenn man jetzt etwas genauer in die Erläuterungen zur Bundesrats-Tagesordnung für Freitag schaut, könnte sich der ganze Prozess vielleicht erneut weiter verlängern.
Weiter geduldig abwarten?
Denn statt einer Zustimmung empfiehlt der Kulturausschuss die Einberufung des Vermittlungsausschusses, mit dem Ziel zu verlangen, zwischen Bund und Ländern eine einvernehmliche Aufteilung des durch die Umsetzung des Gesetzes entstehenden Erfüllungsaufwandes der Länder herbeizuführen. Oder kurz gesagt: Es wird mal wieder kontrovers um die Kosten diskutiert.
Wie zäh sich solche Prozesse hinziehen, kennen wir Hebammen ja schon aus den Gebührenverhandlungen. Dort zog die Einberufung einer Schiedsstellenentscheidung den Prozess weiter in die Länge – und brachte auch nicht unbedingt die gewünschten Ergebnisse hervor.
Es scheint also nichts so sicher zu sein, wie es den Pro-Argumenten für diese Reform nach sein müsste. Manchmal erscheint es mir so, als ob alle denken, dass wir Hebammen das geduldige Abwarten ja von Berufs wegen gewohnt sind. Aber Frauen sind heute schwanger, Babys werden jetzt geboren und Familien entstehen in diesem Moment. Dafür braucht es einen guten, geschützten Rahmen. Und es braucht gute Rahmenbedingungen – ob nun in der Ausbildung der Hebammen oder direkt im Kreißsaal.
Weiterführende Links:
Sitzung des Bundesrates am Freitag, 8. November 2019, ab 9.30 Uhr | Erläuterungen zur Tagesordnung (siehe TOP 8, Gesetz zur Reform der Hebammenausbildung und zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch / Hebammenreformgesetz – HebRefG) | Pressemitteilung des Deutschen Hebammenverbandes zur Abstimmung am Freitag | DHV- Informationen zur Akademisierung (siehe unter Akademisierung- Informationen und Broschüren) | Stellungnahme von Motherhood e.V. zum Hebammenreformgesetz | Gesetzentwurf zur Reform der Hebammenausbildung und zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (HebRefG) | Anhörung von Experten zum Gesetzesentwurf HebRefG |
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