Gestern war nicht nur der Frühlingsanfang. Der 20. März erinnert mich auch immer an den Tag, an dem ich mein Hebammenexamen bestanden haben. Dieser Tag ist nun fünfzehn Jahre her, aber vergessen werde ich ihn nie. Da waren die Jahre des intensiven Lernens nun endlich geschafft. Aber eigentlich haben sie da auch erst begonnen. Natürlich war ich bis oben hin voll mit theoretischem Wissen und auch praktisch hatten wir viel in den Ausbildungsjahren gelernt. Doch plötzlich stand ich doch ein bisschen wie ganz am Anfang da.
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Geburt, die ich als Hebamme nun ganz alleine verantwortete. Ohne den schützenden Status der Hebammenschülerin im Rücken. Das war nur wenige Tage nach meinem Examen im April. Meine erste Stelle in einem Berliner Kreißsaal. Ein kleines Mädchen, das in der Badewanne geboren wurde. Diese ersten Dienste fühlten sich immer noch irgendwie ein bisschen unwirklich an und auch die ersten Hausbesuche wenige Monate später. Denn ganz egal, wie viel ich gelernt hatte, der praktische Hebammenalltag besteht eben nicht nur aus diesem Wissen. Jede Situation ist anders und erfordert individuelle Entscheidungen, die eine Hebamme gemeinsam mit den Eltern trifft.
Das Meiste gelernt über das Kinderkriegen und Kinderhaben habe ich immer von den begleiteten Familien. Natürlich ist die Ausbildung bzw. das Hebammenstudium die solide Basis, die es einfach braucht. Aber das Lernen geht nach dem Examen noch mal so richtig los und hört in diesem Beruf ohnehin nie auf. Es gibt keine Routinen, die immer anwendbar sind. Darum hatte ich wohl in all den Jahren auch noch nie das Gefühl, gelangweilt zu sein von dem, was ich in meiner Arbeitszeit tue – ganz egal, ob es um die Begleitung vor, nach oder bei der Geburt geht.
Den Weg für mich dann doch gefunden
Die wenigsten Kolleginnen, die aus dem Beruf aussteigen, machen dies, weil sie mit ihrer Arbeit unzufrieden sind. Der Grund sind immer die Rahmenbedingungen. Und ja, die sind in den letzten fünfzehn Jahren leider alles andere als besser geworden.
Doch das lasse ich an „meinem Examenstag“, an dem ich diesen Text schreibe, einfach mal außen vor. Ich bin dankbar für alles, was ich bisher lernen durfte. Von den Familien, aber auch von meinen vielen Kolleginnen. Die Begegnungen mit anderen Hebammen sind immer wieder inspirierend und bereichernd, denn auch hier gibt es nicht die eine Standard-Hebamme. Auch wenn in vielen Köpfen irgendwelche Klischees von einer Hebamme existieren. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus.
Übrigens habe ich auch an einem 20. März ein paar Jahre vor meinem Hebammenabschluss mein Examen als Krankenschwester erfolgreich bestanden. Auch ein so wichtiger Beruf, der ebenfalls gesellschaftlich viel zu wenig Wertschätzung erfährt. Aber damals war mir schon nach dem Examen klar, dass dies nicht „mein Beruf“ ist und bleiben wird. Umso schöner, dass ich den Weg für mich dann doch gefunden habe und nun schon seit so langer Zeit gehen darf. Und ich bin heute einfach mal zuversichtlich, dass ich in zehn Jahren dann mein 25-jähriges Berufsjubiläum feiern werde. Und wir dann als Hebammen hoffentlich Familien wieder so begleiten können, wie diese es in dieser besonderen Lebensphase individuell brauchen. Und noch schnell alles Liebe auch für meine Hebammenkolleginnen, die vor fünfzehn Jahren mit mir zusammen ihr Examen gemacht haben.
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