(Werbung / Affiliate-Link) Die meisten Eltern landen völlig unvorbereitet in der Situation, dass ihr Kind nach der Geburt intensivmedizinisch betreut werden muss. Und selbst, wenn sie schon in der Schwangerschaft davon wussten, so sind sie dennoch auf viele Erfahrungen und Emotionen nicht vorbereitet. Statt einem weichen Wochenbett ist der „Alltag“ für Eltern in der Klinikzeit wirklich hart. Auch Susanne Bürger hat dies nach der Geburt ihres ersten Kindes erlebt. Genau wie viele Eltern, mit denen sie für die Recherche zu ihrem Buch Wenn das Leben intensiv beginnt gesprochen hat.
Wichtiges Wissen, sinnvolle Empfehlungen und persönliche Erfahrungen machen ihr Buch zu einem wertvollen Begleiter für die Zeit, die Eltern nach der Geburt ihres Kindes in der Kinderklinik verbringen müssen. Susanne Bürger ist systemisch ausgebildeter Coach, ihr berufliches Wissen bereichert das Buch mit vielen Mut machenden Tipps für diese schwere Zeit, in der Eltern allzu oft ihr eigenes Befinden ganz vergessen.
Doch nicht nur Eltern, sondern auch Fachleute, die in diesem Kontext tätig sind, profitieren vom Lesen dieses Buches. Mit 150 Seiten im Taschenbuchformat geht es auch darauf ein, dass Eltern in dieser besonderen Zeit eben keine dicken Wälzer lesen können, aber trotzdem ein hohes Informationsbedürfnis haben. Dieses Elternbegleitbuch wird definitiv einen Platz in meinem Hebammenkoffer bekommen.
Ich durfte Susanne zu ihrem Buch befragen und hab sie gebeten, einmal aufzuschreiben, was Eltern sich in dieser schwierigen Situation am meisten wünschen. Uns beiden ist bewusst, dass genau wie in der Geburtshilfe der Personalschlüssel viele dieser Faktoren entscheidend mitbestimmt. Doch trotz knapp besetzter Stationen in der Klinik dürfen wir eben nicht aufhören, darüber zu reden, was Eltern und Kinder für einen guten Start ins Leben brauchen. Das gilt ganz besonders, wenn dieser Start anders als erwartet beginnt.
Meine Wunschkinderklinik der Zukunft
Danke, dass ich hier auf diesem wunderbaren Blog zu meinem Herzensthema einen Gastartikel schreiben darf. Ich möchte die Möglichkeit nutzen, eine Sichtweise tiefer zu beschreiben, die so im Buch nicht berücksichtigt werden konnte. In meinem Buch geht’s ja vordergründig darum, was Eltern und insbesondere Mütter in der Kinderklinik konkret für sich und das Baby tun können, um Nähe trotz widriger Umstände aufzubauen und wieder selbst in die Handlungsfähigkeit zu kommen. Dort werden zum Beispiel Fragen beantwortet, wie ich aus der Schockstarre rauskomme und dem (Irr-)Glauben, nichts tun zu können?
Ich werde aber natürlich auch oft gefragt: „Sag mal, du hast mit so vielen Menschen gesprochen, was würdest du dem Klinikpersonal empfehlen? Was genau kann man für Eltern tun?“ Persönlich rate ich dringend ab, zu viele und zu hohe oder falsche Erwartungen an Dritte zu haben. Aber ich kann ja hier heute mal so tun, als ob ich mir eine „Wunsch-Kinderklinik“ bauen könnte und wovon ich mir dann dort mehr wünschen würde. Ich versetze mich einfach mal in die Rolle von Pippi Langstrumpf: „Wir machen uns die Welt, widdewidde wie sie uns gefällt…“ Dabei betone ich, dass ich überspitze und vielleicht jede mitlesende Fachkraft einfach schaut, was davon in ihrer Klinik schon in den Anfängen steckt.
Psychosoziale Unterstützung
Meine Wunschkinderklinik der Zukunft sähe so aus:
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- Müttern steht ein breites Angebot an psychosozialer Unterstützung sofort proaktiv zur Verfügung. Das Klinikpersonal macht eine hochanspruchsvolle Tätigkeit und ist in jeweiligen Fachbereich bestmöglichst ausgebildet. Es ist aber Standard, dass auf jede Situation bezogen ein Spezialist aus dem Kliniknetzwerk hinzugezogen wird. Dieses Netzwerk besteht aus ausreichend und sofort abrufbaren Hebammen, Psychologinnen, Seelsorgerinnen, Stillberaterinnen, Trageberaterinnen und Trauer- und Sterbebegleiterinnen, die in der Akutsituation sofort in die Klinik kommen.
- Das bedeutet, eine Stillberaterin sitzt direkt bei der Mutter, wenn sie stillt oder abpumpt und erklärt nicht nur die Milchpumpe. Stillberaterinnen sitzen kontinuierlich im Stillzimmer, in das sich die Mütter zum Abpumpen der Muttermilch zurückziehen und sind fortwährend da. Es gibt einfach mehr von ihnen! Hebammen, die fortgebildet sind im Umgang mit Müttern nach traumatischen Geburtserlebnissen und Erfahrung haben mit Klinikaufenthalten, kommen direkt auf Station oder ins Elternhaus.
Regelmäßige Schulungen
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- Ebenso gibt es neben der Seelsorge auch deutlich mehr Psychologinnen oder ausgebildete Elternberaterinnen, die alle Sorgen/Ängste und Nöte direkt besprechen können. Das Tabuthema Sterben und Hospizarbeit ist in den Klinikalltag integriert und ausgebildete Trauer- und Sterbebegleiterinnen stehen auf Abruf zur Verfügung.
- Das komplette Klinikpersonal erhält regelmäßig Schulungen im Bereich „Wie führe ich Elterngespräche“. Kinderkliniken sind Orte, die, wenn man nicht selbst dort tätig ist, den meisten komplett fremd sind. Und sie sitzen oft zum ersten Mal dort. Eltern sehen das eigene, voll verkabelte Baby. Für alle Mütter, genauso wie für die Väter, ist diese Situation eine tiefgreifende Erschütterung. In Schulungen werden Pflegekräfte und Ärzte immer wieder sensibilisiert, durch die Wahl der Worte nicht noch mehr Ängste zu schüren. Ebenso wissen sie wann und wer aus dem Kliniknetzwerk hinzugezogen werden muss.
Nächtliche Anwesenheit der Eltern
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- Räumliche Gegebenheiten sollten es Müttern immer ermöglichen, beim Baby zu sein. Dazu gehört ein ordentliches Bett für eine Mutter (oft Wöchnerin), die dort Kuschelzeit, wenn es medizinisch möglich ist, mit ihrem Baby verbringen kann. Es ist nicht angebracht, Müttern Stühle anzubieten, auf denen sie die Besuchszeit absitzen müssen, die ich keinem Gast zu Hause anbieten würde. Egal, welchen baulichen Stand die Klinik hat, aber es gebietet der Anstand, Müttern, die gerade eigentlich im Wochenbett sein müssten, einen bequemen Stuhl hinzustellen.
- Es gibt genügend Elternhäuser von Vereinen oder Stiftungen, die direkt neben der Kinderklinik eine fußläufige Übernachtungsmöglichkeit für die Eltern und Geschwisterkinder bieten.
- Nächtliche Anwesenheit der Eltern auf der Neonatalen Intensivstation ist möglich, wenn die Sehnsucht zu groß ist. Die Mütter bzw. Eltern dürfen anrufen und nachfragen, ob das Baby schläft oder unruhig ist. Die nächtliche Trennung wird in Einzelfällen zugelassen.
Pflegekräfte sind stolz auf ihren Job
- Offizielle Besuchszeiten sind abgeschafft. Wenn ich es als berufstätiger Vater erst abends um halb neun schaffe, mein Baby auf der Neo-Intensiv zu besuchen, ist auch das in angemessenem Rahmen möglich. Die Pflegekräfte sind allen Eltern gegenüber verständnisvoll und wissen, wie schmerzhaft die Trennung vom Baby sein kann.
- Genügend hoch ausgebildete Kinderpflegekräfte betreuen die Kinder auf einer Station. Es werden keine Betten mehr in Kliniken deswegen geschlossen. Die Pflegekräfte sind stolz auf ihren Job, weil sie erstens besser bezahlt werden und dazu auch viel gesellschaftliche Anerkennung bekommen. Ebenso verhält es sich mit den Dienstzeiten der Ärzte. Mediziner, die abends um 22 Uhr noch in der Klinik waren, sehe ich morgens um Sechs nicht schon wieder zum Frühdienst. Und und und… wir sind noch etwas von Optimalzustand entfernt.
Dann schaffen wir das auch!
Ein erster Schritt, um meinen eigenen Klinikaufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, ist sich nicht auf die Missstände, die bestimmt überall zu finden sind zu stürzen, sondern auf die Dinge, die schon da sind. Ich ändere ja nicht, dass die räumlichen Gegebenheiten es heute nicht hergeben, dass ich mit meinem Baby alleine in einem großen Zimmer mit eigener Dusche und eigenem WC übernachten kann. Dazu würde ich gern noch eine kleine Geschichte erzählen, die so nicht mit ins Buch gekommen ist, aber noch mal verdeutlichen soll, wie Klinikaufenthalte auch verlaufen können.
Während unserer drei Aufenthalte in der Kinderklinik wohnte gleichzeitig eine Familie aus dem Iran im Elternhaus einer Kinderhilfestiftung. Die Eltern und zwei weitere Kinder begleiteten die erkrankte Tochter während der Behandlung wegen Leukämie. Das ist erst mal eine Geschichte, die ähnlich in vielen Kinderkliniken Alltag ist. In diesem Fall war es so, dass die Familie für die Behandlung ein ganzes Jahr in Deutschland in der Kinderklinik bzw. dem angrenzenden Elternhaus zu fünft wohnte.
Auch für Dankbarkeit werben
Um die Behandlungskosten für ihre Tochter bezahlen zu können, hatten sie nicht nur das Heimatland inklusive des kompletten sozialen Umfeldes verlassen müssen. Beide Elternteile hatten ihre Arbeitsverhältnisse gekündigt und ihr Haus verkauft. Eine Behandlung in dieser Form gab es im Iran nicht. Die Hintergründe bekam ich erst richtig während unseres zweiten Aufenthaltes in der Kinderklinik mit. Mir wurde erstmals verdeutlicht, wie entscheidend das Geburtsland für die medizinische Behandlung meines Kindes war.
Ich möchte hier nicht weichzeichnen und ich weiß sehr wohl, dass immer wieder weitere Geburtsstationen in Deutschland schließen. Ich weiß sehr wohl um den besorgniserregenden Pflegenotstand in Deutschland in der Kinderkrankenpflege. Aber aus Gesprächen wie diesem möchte ich ebenso für Dankbarkeit werben. Dankbarkeit, dass die medizinische Versorgung in Deutschland zu den Besten weltweit gehört und das Thema von beiden Seiten hier aufgreifen. Ebenso hat es mir und meiner Familie Kraft gegeben, wenn wir Tiefs hatten, die in längeren Klinikaufenthalten auch dazu gehören. Für mich war diese Familie wie ein Leuchtturm. Wenn diese Familie ohne die Unterstützung des sozialen Umfeldes und ohne Sprachkenntnisse diesen Aufenthalt bewältigt, dann schaffen wir das auch!
Der Druck ist extrem
Natürlich haben auch wir Situationen erlebt, die den Pflegenotstand und die personell enge Besetzung widerspiegeln. Auch mir hat eine Klinikschwester, als ich mich abends nicht von meinem Sohn trennen konnte, den unbedachten Satz an den Kopf geworfen: „Nun mal gut mit der Kuschelei, ich kann das nachts auch nicht leisten, verwöhnen Sie ihn mal nicht zu sehr!“ Aber mir haben genauso Klinikschwestern berichtet, dass schon seit Wochen nie Zeit für eine kleine Frühstückspause ist und das sie Angst haben, Fehler zu machen. Der Druck sei extrem, man dürfe nicht den kleinsten Fehler machen, denn der habe auf einer neonatalen Intensivstation andere Folgen als in den meisten anderen Berufen.
Wer hier als Klinik- oder Fachkraft mitliest, kann bestimmt unzählige Beispiele aufzählen. Heute kann die natürlich gut reden mit viel Abstand zu der Situation, wird vielleicht die ein oder andere Mutter denken. Und sie hat Recht, in der emotionalen Befangenheit von extremer Sorge und Angst um mein Baby mache ich mir nicht unbedingt diese Gedanken, wie es vielleicht auf der anderen Seite sprich dem Klinikpersonal aussieht. Aber genauso wie das eigene Schlüsselerlebnis mit der Familie aus dem Iran wichtig ist, weiß ich, dass es trotzdem ankommt, wenn ich es hier schreibe. Das Pflegepersonal und das Ärzteteam tut jeden Tag sein Bestes. Aber für viele Dinge bleibt oft einfach nicht die Zeit.
Austausch mit den Pflegekräften
Eltern rate ich aus diesem Grund immer zum aktiven Austausch mit den Pflegekräften. Es war einfacher für mich, abends zu gehen, wenn ich wusste, da ist die Schwester Anke, die auch zwei Jungs hat und mir erzählt hat, dass einer davon auch eine Operation als Baby hatte. Wir haben immer mal wieder Obstschalen oder Frühstücksteller mitgebracht für die Station. Wir haben auch immer gefragt, welchen Teil der Versorgung und Pflege wir schon übernehmen können.
Miteinander Reden ist hier der Schlüssel, an beide Seiten adressiert. Reden führt zu Aufklärung. Das Aufklären über alles, was in der Klinik passiert, trägt dazu bei, dass die Angst vor dem großen Unbekannten immer geringer oder zumindest abgeschwächt wird. Allen mitlesenden Müttern, die gerade in dieser aufwühlenden Zeit in einer Kinderklinik sind, wünsche ich mitfühlende Pflegekräfte und Ärzte, die jeden Tag ihr Bestes im Sinne der Allerkleinsten tun!
Herzlichst, Susanne Bürger
Wenn das Leben intensiv beginnt- Ein Elternbegleitbuch für die Zeit in der Kinderklinik
von Susanne Bürger
152 Seiten
12,99 Euro
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