Stillberaterin kann sich jeder nennen. Niemand muss dafür ein Kind gestillt noch eine Weiterbildung besucht oder auch nur ein Buch über das Thema gelesen zu haben. Es ist kein geschützter Begriff. Trotzdem haben natürlich die allermeisten Stillberaterinnen in irgendeiner Form eine Ausbildung für diese Tätigkeit. Weil ich immer wieder danach gefragt werde, versuche ich an dieser Stelle mal, die bekanntesten Wege zu beschreiben.
Die Mitglieder der La Leche Liga (LLL) sind wohl quasi die Pioniere in der Stillberatung. In einer Zeit, in der das Stillen auf dem Tiefpunkt und die Flaschennahrung auf dem Siegeszug war, taten sich hier engagierte Frauen zusammen. Ihr Ziel: Das Stillen zu fördern und andere stillende Mütter zu unterstützen. Die Beraterinnen der La Leche Liga sind ehrenamtlich in einem Verein organisiert im Bereich der Hilfe zur Selbsthilfe tätig.
Voraussetzung für die Ausbildung ist eine eigene, längere Stillerfahrung, eine Mitgliedschaft in der La Leche Liga sowie die Empfehlung durch eine bereits als Beraterin tätige Mutter. Der Kontakt entsteht in der Regel durch die regelmäßigen Besuche bei den Stillgruppentreffen. Die Ausbildung verläuft über einen längeren Zeitraum und beinhaltet große Anteile Eigenarbeit, regelmäßige Teilnahme an Stillgruppen und Regionaltreffen sowie den Besuch von Kommunikationskursen. Die Ausbildung ist vereinsintern, die genauen Details finden sich auf der Website der La Leche Liga.
Die Beraterinnen der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS) sind ebenfalls Mütter mit eigener Stillerfahrung, die eine aus mehrere Modulen bestehende Weiterbildung in einem eingetragenen Verein durchlaufen haben. Die AFS bildet auch Väter zu Stillberatern aus. Sie beraten ehrenamtlich in der Mutter-zu-Mutter-Beratung und geben Hilfe zur Selbsthilfe bei offenen Stilltreffen sowie telefonisch und via Email. Die AFS unterhält eine täglich besetzte Hotline, bei der Mütter mit Stillproblemen anrufen können.
Die Grundausbildung umfasst sieben Kurse und eine abschließende Prüfung. Das Zertifikat ist jeweils zwei Jahre gültig und muss dann durch den Nachweis über die Teilnahme an einer Stillfortbildung über mindestens drei Stunden verlängert werden. Die Kosten für die Ausbildung liegen neben den Mitgliedsbeiträgen bei rund 240 Euro. Genaue Informationen finden sich auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen.
Das Stillen begleiten
Eine Ausbildung zur Stillbegleiterin, einer Stillberaterin, die nicht nur ehrenamtlich in diesem Bereich tätig ist, bietet das Deutsche Ausbildungsinstitut für Stillbegleitung (DAIS) an. Diese Ausbildung richtet sich an Fachpersonal, aber auch an alle anderen, die beruflich mit dem Stillen zu tun haben. Eine eigene Stillerfahrung ist hier keine Voraussetzung. Die Ausbildung zur Stillbegleiterin findet an drei Wochenenden statt und kostet aktuell 840 Euro. Wenn zusätzlich zum vollständigen Kursblock noch eine Hausarbeit erstellt sowie eine Prüfung absolviert wird, erhält die Teilnehmerin ein Zertifikat des DAIS. Dieses ist zwei Jahre gültig und kann dann durch entsprechenden Nachweis von acht Fortbildungsstunden verlängert werden. Detailliertere Informationen finden sich auf der Seite des Deutsches Ausbildungssinsitut für Stillbegleitung.
Das Europäische Institut für Stillen und Laktation (EISL) bietet in dem Seminar „Stillen für alle“ eine Weiterbildung zur Stillfachberaterin für alle an, die beruflich auch mit stillenden Müttern arbeiten, aber wo die Stillberatung nicht unbedingt Fokus der Tätigkeit ist – etwa als Mütter- und Familienberaterinnen, Kursleiterinnen an Familienbildungsstellen, bei PEKIP, DELFI, Spielgruppen, Pikler, bei Mitarbeitern in Kitas, bei Tagesmüttern, medizinischen Fachangestellten in gynäkologischen und pädagogischen Praxen, bei Physio- und Ergotherapeuten, Osteopathen und anderen.
Das Seminar gibt das wichtige Basiswissen zum Stillen und zu häufigen Stillproblemen weiter. Es zeigt aber auch die jeweiligen Grenzen und Kompetenzen auf. Der Kurs umfasst 28 Seminarstunden sowie ergänzende Eigenarbeit von zwölf Stunden. Nach bestandener Prüfung (Multiple Choice-Test) erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat. Die Kosten liegen derzeit bei 690 Euro. Konkrete Infomationen über Inhalte und Ablauf finden sich auf der Seite des Europäischen Institut für Stillen und Laktation.
Stillen in der Hebammenausbildung
Das Thema Stillen ist natürlich auch in der theoretischen und praktischen Ausbildung der Hebamme enthalten. Die Stundenzahl dazu variiert jedoch in den Hebammenschule bzw. an Hochschulen, an denen das Hebammenstudium angeboten wird. Ich habe meine Ausbildung damals in mit einem der ersten babyfreundlichen Krankenhäuser in Deutschland gemacht, die damals noch „stillfreundlich“ hießen. Dementsprechend wurde viel Wert auf eine umfangreiche Ausbildung zum Thema Stillen gelegt und unsere damalige Lehrhebamme war zusätzlich eine Still- und Laktationsberaterin IBCLC. In diesem Bereich war ich also gut ausgebildet, zum Thema Geburtsvorbereitung hingegen nicht, weshalb ich dazu schon vier Wochen nach dem Examen die erste Weiterbildung besucht habe. Die drei oder vier Jahre der Hebammenausbildung bzw. des Studiums sind recht gut mit Inhalten vollgepackt und manchmal kommen da auch so wichtige Punkte wie das Stillen zu kurz. Deshalb gibt es auch gute Weiterbildungsangebote für Hebammen. Sinnvoll sind diese auch nach längerer beruflicher Pause, weil sich auch im Bereich Stillen und Laktationsmedizin immer wieder einiges ändert. Über den Deutschen Hebammenverband (DHV) wird die Fortbildung „Stillen aktuell“ mit drei Modulen über jeweils zwei Tage angeboten. Die Kosten betragen 570 Euro für DHV-Mitglieder bzw. 855 Euro für Nichtmitglieder.
Natürlich haben wir als Hebammen auch eine Fortbildungspflicht, die alle Bereiche der originären Hebammentätigkeit, also auch die Stillberatung abdecken soll. Alle hier genannten Vereine und Institute, die Stillberaterinnen ausbilden sowie die Hebammenverbände bieten auch einzelne, sehr interessante Fortbildungen zu Stillthemen an. Für Hebammen ist nur wichtig zu schauen, ob die jeweilige Fortbildung im Rahmen der Fortbildungspflicht anerkannt und bepunktet ist.
Still-und Laktationsberaterin IBCLC werden
Die umfangreichste Ausbildung im Bereich der Stillberatung ist die weltweit anerkannte Weiterbildung zur Still-und Laktationsberaterin IBCLC (International Certified Lactation Consultant). Als Voraussetzung für das IBCLC-Examen muss man einen medizinischen Grundberuf wie zum Beispiel Hebamme,
Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflegerin oder auch Ärztin mitbringen. Wer das IBCLC-Examen anstrebt und keine medizinische Berufsausbildung hat, kann sich auch durch das Belegen bestimmter Fächer an einer Hochschule oder Universität die erforderlichen Kenntnisse aneignen. Konkret heißt das: „Nachweis vom Abschluss eines Semesters auf einer höheren Fachschule oder Universität in den folgenden medizinischen Gegenständen: Biologie, Anatomie des Menschen, Ernährung, Psychologie oder Kommunikationsfähigkeiten, Physiologie des Menschen, Wachstum und Entwicklung von Kleinkindern, Einführung in die Forschung oder Statistik, Soziologie oder interkulturelle Sensibilität oder Kulturanthropologie. Nachweis von Kenntnissen zu sechs weiteren gesundheitswissenschaftlichen Themen: Lebensrettende Sofortmaßnahmen, Medizinische Dokumentation, Berufsethik für Gesundheitspersonal, Medizinische Terminologie, Arbeitssicherheit für Gesundheitspersonal, Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen und Infektionskontrolle.“
Zusätzlich zu der Grundvoraussetzung muss man mindestens 1000 Praxisstunden in der direkten Beratung von Mutter und Kind in den letzten fünf Jahren vorweisen. Zudem sind 90 Zeitstunden in der Fortbildung im Bereich Laktation und Stillen erforderlich, sprich die IBCLC-Ausbildung. Auch diese Stunden müssen innerhalb von fünf Jahren vor Prüfungsantritt geleistet werden.
Die Prüfung selbst ist ein internationales, unabhängiges Examen, dass einmal jährlich weltweit stattfindet. Nach erfolgreich bestandenem Examen darf man für fünf Jahre den Titel „Still-und Laktationsberaterin IBCLC“ führen. Danach muss man neu rezertifizieren durch Wiederholung des Examens oder den Nachweis von mindestens 75 Fortbildungsstunden. Nach zehn Jahren ist die Wiederholung des Examens immer erforderlich. Die Kosten für das Examen liegen aktuell bei rund 660 US-Dollar.
Stillbeauftragte an der Klinik
Im Rahmen der IBCLC-Ausbildung gibt es noch die Möglichkeit, den Titel „Stillbeauftragte im Krankenhaus“ zu erwerben, wie es von der Nationalen Stillkommission empfohlen wird. Die Stillbeauftragte erstellt neben der konkreten Arbeit in der Stillberatung die Stillrichtlinien für die jeweilige Klinik und informiert bzw. schult das Personal dementsprechend. Für diese Tätigkeit ist neben dem Besuch der Seminare zur Vorbereitung auf das IBCLC-Examen zusätzlich noch ein 40-stündiges Praktikum, der Besuch von vier Stillgruppentreffen sowie das Anfertigen einer schriftlichen Facharbeit zu einem Thema aus dem Bereich Stillen und Laktation erforderlich.
Alles in allem ist die Ausbildung zur IBCLC eine recht zeitaufwendige, aber dennoch sehr lohnenswerte Weiterbildung. In Deutschland wird sie vom Europäischen Institut für Stillen (EISL) sowie vom Ausbildungszentrum für Laktation und Stillen (AZ) angeboten. Die Kosten für die vorbereitenden Seminare liegen beim EISL bei rund 500 Euro für das Grundlagenseminar, 1560 Euro für drei weitere aufbauende Seminar zuzüglich 220 Euro Einschreibegebühr. Die vier Seminare finden an jeweils vier bzw. fünf aufeinanderfolgenden Tagen statt. Beim AZ ist die Ausbildung auf sechs Drei-Tages-Seminare verteilt, die zusammen 2040 Euro (340 Euro pro Seminar) kosten. Die Einschreibegebühr beträgt 160 Euro.
Es gibt auch speziell auf die Bedüfnisse von Ärzten ausgelegte Kompaktkurse zur Vorbereitung und auch E-Learning-Module, die die Präsenzzeiten vor Ort deutlich reduzieren. Beide Institute bieten generell die Ausbildung an verschiedenen Standorten in Deutschland an. Ich habe meine Weiterbildung beim EISL damals in Nordeutschland gemacht. Da wir jeweils bei Freunden übernachten konnten, kamen nur Fahrtkosten hinzu. Eventuell muss man aber auch noch Hotelkosten mit einplanen. Zum Teil werden die Kosten und Nebenkosten auch vom Arbeitgeber übernommen, da die Klinik ja in der Regel von diesem zusätzlichen Angebot sehr profitiert. Als Freiberufler hat man zumindest eine Menge Ausgaben, die man steuerlich absetzen kann…
Dies war ein kleiner Überblick über die vielen verschiedenen Wege zur Stillberaterin bzw. zur Still- und Laktationsberaterin IBCLC. Die Begleitung des Stillens, aber auch des Abstillens oder Nichtstillens ist ein wichtiges Arbeitsfeld, in dem es nach wie vor viel zu tun gibt ist. Auch der zunehmende Mangel an Hebammen macht sich schon seit einiger Zeit deutlich bemerkbar. Es melden sich viele Frauen mit den typischen Anfangsproblemen- und Sorgen, die eigentlich von der Hebammenbetreuung gut aufgefangen werden können. Immer häufiger haben Mütter aber keine Wochenbetthebamme mehr bekommen. Wer sich also für diese wirklich sinnvolle Arbeit interessiert, hat hier hoffentlich einen kleinen ersten Überblick über die Aus-und Weiterbildungsoptionen bekommen.
Da zum größten Teil Frauen in der Stillberatung tätig sind, habe ich mich aus Gründen der Lesbarkeit für die weibliche Variante entschieden. In Ausbildungen, in denen keine eigene Stillerfahrung erforderlich ist, können sich natürlich auch Männer als Stillberater ausbilden lassen. Im ärztlichen Bereich gibt es zum Beispiel mehrere Gynäkologen die die Zusatzqualifikation IBCLC haben.
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