Durch die immer früher erforderlich werdende Hebammensuche begegnen mir auch Frauen in der Frühschwangerschaft mit sämtlichen und oft dazugehörigen Begleiterscheinungen häufiger. Übelkeit und eine generelle Erschöpfung oder eine bleierne Müdigkeit begleiten viele Frauen in den ersten Wochen. Das passiert in dieser frühen Zeit, in der oft nur wenige Menschen im Umfeld wissen, dass ein Baby unterwegs ist. Darum werden Hebammen, Gynäkologen oder Google danach gefragt, was man dagegen tun kann. Frühschwangere wünschen sich oft eine Besserung der Situation, damit sie ihre Arbeit wieder voll erledigen können. Doch gerade das verursacht eher zusätzlichen Druck, der für die Gesamtsituation nicht gerade förderlich ist. Einige Frauen fühlen sich in den ersten Wochen richtig krank und haben dennoch den Anspruch an sich, arbeiten zu gehen und den Alltag wie gewohnt weiter durchzuziehen. Denn schließlich sind sie ja „nur“ schwanger…
Ich erlebe es häufig, dass es Frauen gerade in der Frühschwangerschaft sehr schlecht geht, sie sich aber nicht trauen, sich krank schreiben zu lassen, weil sie ja noch keinen sichtbaren Babybauch mit sich herum tragen. Doch ein Baby ist trotzdem gerade im Bauch, auch wenn es noch winzig klein ist. Gerade in den frühen Wochen kann das Wohlbefinden zudem viel, viel schlechter sein kann als in der 28. SSW oder kurz vor der Geburt.
Als Hebamme versuche ich den werdenden Müttern immer wieder zu verdeutlichen, was da gerade alles im Körper passiert. Die Umstellung von nicht schwanger auf schwanger ist eine enorme Leistung – und zwar körperlich ebenso wie mental. Zellen differenzieren sich, der Embryo entwickelt sich, alle Organsysteme werden angelegt und verfeinert. Da wird gerade ein kleiner Mensch gebaut. Die Frühschwangerschaft ist eine stark verändernde und auch kritische Zeit. Auch wenn das von außen nicht sichtbar ist.
Große Umstellungen in der Frühschwangerschaft
Diese Zeit verdient besondere Aufmerksamkeit und Schutz. Es ist also wahrlich kein Luxus, sich mit Übelkeit und Kreislaufproblemen aufs Sofa zu legen, anstatt sich zur Arbeit zu schleppen. Viele Frauen haben dennoch oft große Bedenken, diesen Schritt zu gehen, weil ihnen von außen suggeriert wird, dass Schwangerschaft ja keine Krankheit sei. Nein, eine Krankheit ist eine Schwangerschaft nicht, aber sicherlich die größte und herausforderndste Umstellung, die ein Frauenkörper erlebt. Doch das Bewusstsein und das Verständnis dafür ist sehr unterschiedlich. Frauen, die eine komplett beschwerdefreie Schwangerschaft erlebt haben, können sich vielleicht gar nicht vorstellen, wie elend sich manche Frauen fühlen. Ich habe die große Bandbreite des Wohlbefindens in der Schwangerschaft vor allem durch meine Arbeit mit Schwangeren kennengelernt.
Was auch oft nicht gesehen wird, weil kaum jemand davon weiß, sind die individuellen Vorgeschichten mancher Frauen. Auch diese machen es vielleicht sinnvoll, sich etwas eher krank zu melden, um den Schwangerschaftsbeginn stressfreier zu gestalten. Vielleicht gab es bereits zuvor Schwangerschaftskomplikationen oder auch Fehlgeburten. Mit einer solchen Anamnese beginnt eine weitere Schwangerschaft doch häufig wesentlich angstvoller.
Phase der Anpassung
Und vielleicht gibt es auch Frauen, denen es gut geht und die tatsächlich einfach keine Lust auf ihre Arbeit haben und dafür die Schwangerschaft als willkommenen Ausrede nehmen. Aber mehr oder weniger motivierte Mitarbeiter gibt es auch unter Nichtschwangeren. Aus meiner Erfahrung heraus sind das die Wenigsten. Viele Frauen tun sich eher schwer mit Beschäftigungsverboten oder längeren Krankschreibungen. Sobald die ersten positiven Effekte einer Auszeit auftauchen wie eine zurückgehende Übelkeit oder das Nachlassen vorzeitiger Wehentätigkeit, ist nicht selten der erste Gedanke: „Nun kann ich ja sofort wieder arbeiten gehen“. Und da ist es egal, ob die Frau selbständig oder angestellt ist. Bei Selbständigen kommt immer noch der meist hohe finanzielle Verlust hinzu, wenn nicht gearbeitet werden kann.
Also nochmal: Schwangerschaft ist keine Krankheit. Aber sie ist eine besondere und schutzbedürftige Zeit. Und das von Anfang an. Nicht umsonst wird das erste Schwangerschaftstrimester auch als „Phase der Anpassung“ bezeichnet. Körper und die Seele müssen sich an die neue Situation anpassen. Und gut ist es auch, wenn sich das Umfeld anpasst, in dem es Rücksicht nimmt auf die neu entstandenen Bedürfnisse der Schwangeren. Wenn sich eine werdende Mutter in den ersten Wochen oder auch zu einem späteren Zeitpunkt krank meldet, dann wird es seinen Grund haben. Wenn eine Schwangere die Unterstützung durch eine Haushaltshilfe in Anspruch nimmt, hat das in der Regel auch seine Berechtigung. Schwangerschaften verlaufen so vielfältig. Die eigenen Erfahrungen oder die der Freundin, Schwester oder Nachbarin sind kein Bewertungsmaßstab. In diesem Sinne: Achte immer gut auf dich, dein Baby und auf eure Bedürfnisse – wie auch immer die gerade aussehen mögen.
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