Neulich fand ich in meinem Kalender zufällig und etwas zusammengeknüllt den Aufklärungsbogen für die Geburt aus der Klinik, mit der unsere beiden Hebammen einen Belegvertrag haben. Als in der 37. Schwangerschaftswoche bei mir recht überraschend Fruchtwasser abging, standen damit auch unsere Hausgeburtspläne zunächst auf der Kippe. Denn eine außerklinische Geburt kommt erst mit Beginn der 38. Schwangerschaftswoche in Frage. Vorher gelten die Kinder faktisch noch als Frühchen.
Dass es dann doch noch drei Wochen dauerte und unser Baby letztlich doch zu Hause geboren wurde, habe ich an anderer Stelle ja schon geschrieben. In der Erwartung einer möglichen Klinikgeburt bekamen wir also die Aufklärungsbögen ausgehändigt. Die kenne ich selbst nur allzu gut aus meinen Klinikzeiten als Hebamme. Ich habe sie deshalb unterschrieben ohne groß zu lesen, was da ganz konkret steht. Zum einen deshalb, weil mir alle möglichen „Risikofaktoren“ bekannt sind. Der andere Grund: Weil ich es einfach nicht lesen wollte.
Ich wollte in der Erwartung auf eine möglichst gute Geburt nichts über Dammschnitte, Saugglocken- und Zangenentbindungen, Komplikationen beim Kaiserschnitt, Blutungen, Rissverletzungen, Fruchtwasserembolien, Atemstörungen des Neugeborenen, Harn- und Stuhlinkontinenz, Blutergüsse, Wundheilungsstörungen, Hirnblutungen oder über die Entfernung der Gebärmutter lesen.
All das und noch viel viel mehr steht aber auf diesen Aufklärungsbögen. Komprimiert auf vier A4-Seiten. Und ja: Nahezu alle beschriebenen Szenarien kenne ich aus dem Kreißsaal. Vieles davon kommt zum Glück nur äußerst selten vor.
Angst als schlechter Begleiter im Kreißsaal
Ich kann die möglichen Komplikationswahrscheinlichkeit sicher etwas besser einordnen als eine Nicht-Hebamme. Aber ich wollte als normale Schwangere all diese Dinge nicht lesen. Nicht, weil ich naiv alles verdränge oder mich wirklich erforderlichen, geburtshilflichen Interventionen widersetzen würde. Nein, ich wollte das alles nicht lesen, weil es mich davon abgehalten hätte, weiterhin guter Hoffnung zu sein, dass die Schwangerschaft und auch die Geburt gut verlaufen würden. Mir ist schon klar, dass positives Denken allein nicht alle Komplikationen verhindert. Aber wenn etwas jetzt und gerade gut ist, dann soll es das auch bleiben.
Diese Aufklärungsbögen aber können durchaus Ängste auslösen, für die eigentlich gerade gar kein Anlass besteht. Aus juristischer Sicht ist es natürlich heutzutage unbedingt erforderlich, Patienten im Krankenhaus über alle möglichen Gefahren aufzuklären. Das gilt gerade in Bezug auf Operationen. Eine Schwangerschaft und eine Geburt sind aber erst mal ein vollständig gesunder und normaler Zustand und eine ganz physiologische Situation.
Natürlich können sich aus dem Verlauf heraus auch immer Komplikationen entwickeln. Aber all diese möglichen Dinge so schwarz auf weiß zu lesen, während gerade die ersten Wehen durch den Körper gehen oder das Fruchtwasser läuft, kann schon Sorgen oder Ängste verursachen. Angst ist jedoch im Kreißsaal ein schlechter Begleiter. Angst kann das für die Geburt erforderliche hormonelle Geschehen negativ beeinflussen. Sie kann dafür sorgen, dass sich die Anspannung und auch der Wehenschmerz verstärken. Ein echtes Dilemma also.
Aufklärungsbogen vor Geburtsbeginn
Die Eltern müssen natürlich auf die eine oder andere Art aufgeklärt werden. Gleichzeitig sollten sie doch einfach nur guter Hoffnung sein dürfen. Oft werden die Aufklärungsbögen auch bei der Anmeldung in der Klinik schon vor dem eigentlichen Geburtsbeginn ausgehändigt, was die Sache nicht unbedingt besser macht. Denn so hat man noch mehr Zeit darüber nachzudenken. Oder weiter zu recherchieren über jede einzelne, theoretisch mögliche Komplikation. Entspannend wirkt das nicht. Hebammen oder Geburtshelfer betonen immer wieder, wie selten gewisse Komplikationen auftreten. Dennoch brennen sich Satzpassagen wie „Infektion der Gebärmutter oder Schädelbruch beim Neugeborenen“ vielleicht ungewollt mehr in den Kopf ein als gewollt…
Auch der Aufklärungsbogen für die Periduralanästhesie lässt Eltern nicht selten zunächst sehr verunsichert zurück. „Verlängerter Geburtsvorgang, Gabe von Wehenmitteln, Krampfanfälle, Bewusstlosigkeit, bleibende Lähmungen oder Verletzungen von Gefäßen und Nerven…“ klingt auch nicht gerade einladend. Sicherlich sollte einem bewusst sein, dass dies kein Eingriff in den Geburtsverlauf ist, der leichtfertig gemacht werden sollte. Aber wenn eine PDA notwendig oder gewünscht ist, sollte natürlich nicht noch zusätzlich mehr Angst im Raum stehen. Auch hier stehen sich der Aufklärungsbedarf und die für die Geburt so wichtige „gute Hoffnung“ etwas im Weg.
Einen wirklichen Ausweg aus diesem Dilemma gibt es nicht. Leider trägt auch der Personalmangel in den Kliniken nicht gerade dazu bei, dass durch ausführliche Gespräche über diese Aufklärungsbögen mögliche Ängste abgebaut werden könnten. Wahrscheinlich bleibt dann doch nur die von mir gewählte Variante: Augen zu, unterschreiben und weiter guter Hoffnung sein, dass schon alles gut verlaufen wird. Was in den allermeisten Fällen ja auch so ist.
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