„In der Stillzeit kannst du essen, was du willst!“ Oder: „Beim Stillen nimmt man ganz von alleine ab!“ Diese und ähnliche Aussagen hören fast alle Mütter vor der Geburt. Und ja, manchmal ist das auch so, aber oft bewegt sich der Zeiger der Waage auch sehr langsam oder gar nicht nach unten.
Der Körper legt in der Schwangerschaft natürliche Fettreserven für die Stillzeit an. Bei unserem großen Nahrungsangebot werden diese nicht mehr unbedingt benötigt. Und so gibt es neben den Frauen, die in der Stillzeit aufpassen müssen, nicht zu dünn zu werden, auch viele Frauen, die mit den restlichen Schwangerschaftspfunden „kämpfen“. Der Körper hat ein natürliches Bestreben, sein Vorschwangerschaftsgewicht zu erreichen. Die meisten Frauen sind zudem an einer gesunden und ausgewogenen Ernährung interessiert. Es gibt aber auch Mütter, die sich sehr unwohl fühlen. Die möchten gerne ein paar Pfunde gezielt loswerden.
Doch sie hören dann von allen Seiten, dass man ja in der Stillzeit auf keinen Fall abnehmen dürfe. Denn erstens würde die Milch dann ganz schnell nicht mehr reichen. Und zweitens würden sich allerlei Schadstoffe aus dem Fettgewebe dann in der Muttermilch wiederfinden. Für manch eine Mutter sind diese Aussagen eine Veranlassung, über ein baldiges Abstillen zumindest ernsthaft nachzudenken, wenn sie denn so gar nichts gegen ihre Gewichtssorgen tun darf.
Muss man in der Stillzeit für zwei essen?
Doch in Wirklichkeit ist die Stillzeit mit ihrem erhöhten Kalorienbedarf eine geeignete Zeit, die eigene Ernährung so umzustellen, dass man dabei nach und nach Gewicht verliert.
„Die erleichterte Gewichtsabnahme post partum bei mindestens sechsmonatiger Stilldauer ist statistisch signifikant, insbesondere bei ursprünglich im Normgewicht liegenden Müttern. Die in der Schwangerschaft angelegten Fettdepots, speziell die an den Hüften, werden in der Regel erst nach Stillen von mehr als vier bis fünf Monaten mobilisiert.“
Dr. med. Michael Abou-Dakn, Chefarzt der Klinik für Geburtshilfe & Gynäkologie des St. Joseph Krankenhaus in Berlin.
In Deutschland sind etwa 59 Prozent aller Frauen übergewichtig. Übergewicht und seine Folgen wie kardiovaskuläre Erkrankungen oder Diabetes sind eines der herausragenden gesundheitlichen Probleme des 21. Jahrhunderts. Um diese Risiken zu senken, sollte das Vorschwangerschaftsgewicht in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach der Geburt wiedererlangt werden. Am besten geschieht das durch die Kombination aus Stillen, Sport und einer ausgewogenen Ernährung.
Aber: Auch in der Stillzeit müssen Mütter nicht für zwei essen. Der Kalorienbedarf in der Stillzeit ist um etwa 300 bis 600 Kilokalorien erhöht. Dieser Bedarf lässt sich aber durch ein, zwei kleine Zwischenmahlzeiten decken. Der Bedarf an Nährstoffen wie Protein, Vitamin A+B+E, Folsäure, Magnesium, Eisen, Jod und Zink ist erhöht. Deshalb sollten, wie schon während der Schwangerschaft, Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte gegessen werden. Der Körper greift bei schlechter Versorgung auf die mütterlichen Reserven zurück, so dass die Qualität der Muttermilch gleich bleibend gut ist, aber die Mutter den Mangel spüren würde.
Nährstoffmangel und Schadstoffe durch Diät?
Eine längerfristige Diät beeinflusst die Milchmenge nicht, wenn folgende Punkte beachtet werden:
- das Stillen hat sich in den ersten acht Wochen gut eingespielt
- das Kind wird nach Bedarf gestillt
- die Mutter ist nicht untergewichtig
- die Gewichtsabnahme pro Monat beträgt nicht mehr als zwei Kilogramm
- die tägliche Gesamtkalorienmenge soll nicht 1800 kcal unterschreiten
Die Kalorienaufnahme kann bis etwa 500 kcal unter dem tatsächlichen Bedarf liegen, ohne dass bei einer ausgewogenen Ernährung ein Nährstoffmangel zu erwarten ist. Eine Diät in der Stillzeit sollte also nie einseitig sein, wobei diese Diäten generell oft mit einem hohen Jojo-Effekt verbunden sind. Übergewichtige Frauen brauchen Beratung und Unterstützung beim Abnehmen. Sie sollten sich nicht abweisen lassen, mit dem Hinweis erst nach der Stillzeit abnehmen zu dürfen – sondern gerade jetzt den unterstützenden Effekt des Stillens nutzen.
Bei einer moderaten Gewichtsabnahme ist auch von keiner Gefahr durch aus dem mütterlichen Fettgewebe freigesetzten Schadstoffen in der Muttermilch auszugehen. Erst wenn die Kalorienmenge 1500 kcal pro Tag unterschreitet, kann mit einem Rückgang der Milchmenge und einem Anstieg von Schadstoffen zu rechnen sein. Es gehört also auch zu den Stillammenmärchen, dass Mütter in der Stillzeit nicht gezielt abnehmen dürfen.
Mittlerweile gibt es sogar beim bekanntesten „Diätprogrammanbieter“ Abnehmpläne, die speziell auf Stillende zugeschnitten sind. Eine sinnvolle Gewichtsreduktion und das Stillen schließen sich also nicht aus, sondern begünstigen sich sogar positiv. Für individuelle Informationen können Stillberaterinnen, Hebammen, Ärzte und Ernährungsberater befragt werden. Diese sollten sich aber sowohl mit dem Thema Stillen als auch mit der Ernährung gut auskennen.
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