Wenn es um den richtigen Zeitpunkt für die Einführung von Beikost geht, wird häufig von „Beikostreifezeichen“ gesprochen. Dieser etwas sperrige und konstruierte Begriff beschreibt die motorischen und kognitiven Voraussetzungen, die ein Baby aufweisen sollte, bevor man ihm etwas anderes als Muttermilch bzw. Pre-Nahrung bei nicht gestillten Kindern anbietet.
Denn nicht der Kalender, sondern der Entwicklungsstand des Babys gibt den passenden Zeitpunkt vor. Bei vielen Kindern sind die erforderlichen Voraussetzungen im Alter von rund sechs Monaten gegeben. Einige wenige Kinder sind auch schon ein paar Wochen früher bereit für die ersten Beikostversuche. Andere wiederum lassen sich mehr Zeit. Aber so ist das mit allen Entwicklungschritten: Jedes Kind bringt sein individuelles Tempo mit. Für einen stressfreien Beikoststart sollte das Baby folgende Voraussetzungen mitbringen:
Stabiles Sitzen
Um Nahrung in festerer Form zu sich zu nehmen, ist es wichtig, aufrecht sitzen zu können. Alleine hinsetzen können sich die meisten Babys erst mit rund neun Monaten. Zuvor wird meist das Krabbeln erlernt. Doch auch diese Entwicklungschritte verlaufen unterschiedlich schnell. Für den Beikostbeginn muss sich das Baby noch nicht alleine hinsetzen können. Aber es sollte volle Kopfkontrolle haben und den Oberkörper stabil halten können, wenn es auf dem Schoß sitzt. Beikostbereite Kinder drehen sich vom Bauch auf den Rücken. Denn so trainieren sie unter anderem auch die stabile Rumpfkontrolle. Zeitgleich mit dem Drehen reift außerdem die Mund- und Zungenmotorik.
Komplexe Koordination zwischen Hand und Mund
Ein Baby, das in sich zusammensackt oder nach rechts und links kippt, ist einfach noch nicht so weit. Dann sollte man noch etwas warten mit den ersten Beikostversuchen. Wenn ein Baby sich dann später alleine in die Sitzposition bringen kann, ist ein guter Zeitpunkt gekommen, vom Sitzplatz auf dem elterlichen Schoß in den Hochstuhl zu wechseln. Meist ist das aber erst der Fall, wenn es auch schon krabbelt.
Kontrollierte Koordination von Hand und Mund
Egal, ob ein Baby anfangs gefüttert wird oder sich selbst am Esstisch bedient – die motorischen Voraussetzungen sind für alle gleich. Ein beikostbereites Kind kann selbständig etwas aufnehmen und gezielt in den Mund stecken. Eltern können das beim Spielen gut beobachten. Damit diese komplexe Koordination zwischen Hand und Mund funktioniert, hat sich auch das räumliche Sehen entsprechend weiter entwickelt.
Die Fingerfertigkeiten des Babys verfeinern sich in der Beikostphase immer weiter. Vom Greifen mit der ganzen Handfläche (palmarer Griff), wird das Baby zunächst zum Kneifzangengriff mit Daumen und gebeugtem Zeigefinger übergehen. Später kann es dem mit Daumen und Zeigefinger (Pinzettengriff) auch kleine und feinere Dinge gezielt greifen und aufsammeln. Die (breifreie bzw. nicht gefütterte) Beikost ist ein ideales Lernfeld, weil verschiedene Formen und Texturen der Nahrungsmittel die motorischen Fähigkeiten des Babys immer wieder neu fordern.
Zielgerichtete Zungenbeweglichkeit
Beikostbereite Babys machen Kau- und Mahlbewegungen, auch wenn noch kein einziger Zahn in Sicht ist. Die Zungenbeweglichkeit hat sich auch entsprechend verändert. Die Zunge kann jetzt Seitwärtsbewegungen ausführen und Nahrung am Gaumen zerdrücken. Zudem ist der Zungenstoßreflex deutlich abgeebbt oder schon ganz verschwunden. Mit diesem Reflex schiebt ein Baby Dinge aus dem Mund, die „dort nicht hineingehören“. In ein Kind mit noch deutlichem Zungenstoßreflex gehört also auch kein Brei. Schiebt das Baby den Löffel immer wieder mit der Zunge hinaus oder prustet Nahrung heraus, sollte es noch etwas Zeit bis zum nächsten Beikostversuch bekommen.
Vom Baby ausgehende Beikostbereitschaft
Wichtig ist natürlich, dass das Baby Interesse an dem neuen Angebot hat. Am besten bekommt man das mit, indem es ganz selbstverständlich bei den Mahlzeiten mit dabei ist. Das Baby wird die Eltern beobachten. Es möchte vielleicht selbst Dinge vom Teller nehmen und probieren. Eltern sollten dieses Interesse aber nicht mit Hunger verwechseln. Denn die Erfahrung, dass das „andere Essen“ auch satt macht, hat das Baby bisher noch gar nicht gemacht. Bei Hunger stehen ganz klar weiter die Muttermilch bzw. Pre-Nahrung bei nicht gestillten Kindern an erster Stelle. Die erste Beikost sollte also auf keinen Fall angeboten werden, wenn das Baby hungrig ist. Zurecht wird es dann wenig Interesse haben, etwas Neues zu probieren. Es wäre sicherlich empört, wenn es plötzlich statt der erwarteten Milch etwas bisher noch völlig Unbekanntes bekäme. Auch ein übermüdetes, kränkelndes oder zahnendes Baby hat meist kein großes Interesse an Beikost.
Beikostreifezeichen zeigen auch keinen Hunger an
Die Neugierde und Bereitschaft, Neues auszuprobieren, ist dann am größten, wenn sich das Baby wohl und geborgen fühlt. Und als Eltern ist es auch wichtig, das Ganze ohne Stress und Zeitdruck angehen zu lassen. Ein weiteres wichtiges Beikostreifezeichen ist, dass das Baby anzeigen kann, wenn es keinen Hunger mehr hat oder die Mahlzeit beenden möchte. Vielleicht dreht es den Kopf weg, presst die Lippen zusammen oder schiebt Löffel und Teller weg. Manche Babys fegen auch alles schwungvoll vom Tisch. Oder sie machen deutlich, dass sie jetzt lieber gestillt werden möchten.
Wie bei allen Entwicklungsschritten, zeigt das Baby an, was es schon kann und wo es Unterstützung braucht. Oder manchmal auch einfach noch etwas mehr Zeit. Die Auflistung der wichtigsten Beikostreifezeichen hier ersetzt aber nicht den immer individuellen Blick aufs Kind. Aber sie liefert etwas Orientierung im Beikostdschungel mit all seinen Empfehlungen und Mythen.
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