Die mit unserem Mundboden verwachsene Zunge spielt beim Essen und beim Sprechen eine zentrale Rolle. Und schon bei einem Neugeborenen hat die Beweglichkeit der Zunge eine sehr wichtige Bedeutung beim Stillvorgang. Damit das Baby die Brustwarze (Mamille) und den Bereich drum herum gut erfassen kann, ist nämlich eine ausreichende Mobilität der Zunge erforderlich. Die kann das Zungenbändchen behindern.
Die Seiten der Zunge bilden die Mulde, um die Mamille korrekt einzusaugen. Die Zunge ist durch ihre perisitaltischen Bewegungen wesentlich mit am Milchtransfer beteiligt. All diese Vorgänge laufen normalerweise ganz selbstverständlich ab. Durch die entsprechenden Such- und Saugreflexe findet und erfasst das Baby die Brustwarze selbstständig. Es beginnt mit dem Saugen, wodurch die Milchbildung und der Milchspendereflex ausgelöst werden. Auch das Schlucken der nun fließenden Muttermilch geschieht ganz selbstverständlich.
Wenn also alles gut läuft und die Mutter keine Schmerzen beim Stillen verspürt, muss und wird sich wohl niemand groß Gedanken über die Beweglichkeit der Babyzunge machen. Wenn jedoch Stillprobleme auftreten, sollten mögliche Schwierigkeiten des Babys im Bereich des Zungenbändchens in Betracht gezogen und überprüft werden. Drei bis 4,8 Prozent der Neugeborenen kommen mit einem zu kurzen Zungenbändchen (Ankyloglossie) zur Welt – bei rund einem Viertel der Kinder entwickeln sich dadurch bedingte Stillschwierigkeiten. Die betroffenen Babys können oft die Zunge nicht weit genug heraus strecken, aber auch das Anheben der Zunge kann behindert sein. Dadurch können die Mamille und der Brustwarzenvorhof nicht weit genug in den Mund eingesaugt werden.
Wunde Brustwarzen und Gedeihstörungen
Somit liegt die mütterliche Brustwarze nicht an der optimalen Stelle im Babymündchen, was zu Schmerzen und Verletzungen führen kann. Daraus resultieren unter Umständen weitere Folgen wie eine Infektionen der Brustwarzen, aber auch ein Milchstau oder eine Mastitis. Manchmal führt auch die durch das zu kurze Zungenbändchen bedingte, nicht adäquate Saugtechnik zu einer unzureichenden Stimulation der Milchbildung. Das kann sich in einer unzureichenden Gewichtszunahme bis hin zur Gedeihstörung bemerkbar machen. Auch lässt sich häufiger beobachten, dass die Kinder sehr unruhig und teilweise unzufrieden an der Brust sind.
Schnalzende Geräusche beim Stillen, aber auch beim Trinken aus dem Fläschchen können auf ein zu kurzes Zungenbändchen hinweisen. Denn auch bei nicht gestillten Kindern kann das beim Trinken aus der Flasche Probleme machen. Über die Stillzeit hinaus kann ein zu kurzes Zungenbändchen auch zu Schwierigkeiten beim Essen von festerer Nahrung sowie beim Spracherwerb führen.
Es ist also durchaus sinnvoll, schon im Babyalter darauf zu achten, ob möglicherweise Auffälligkeiten vorliegen. Neben den oben beschriebenen Schwierigkeiten, zeigt die Zunge häufig eine herzförmge Einkerbung an der Zungenspitze, die sichtbar ist, wenn das Baby diese streckt. Oft gelingt es dem betroffenen Säugling auch nicht, die Zunge über die untere Zahnleiste und die Unterlippe hinaus zu strecken. Manche Kinder können die Zunge zwar weiter hinaus strecken, aber diese rollt sich dabei nach unten ein.
Kurzes Zungenbändchen durchtrennen?
Kinderarzt, Logopäde aber auch eine geschulte Stillberaterin oder Hebamme können die Lage und Funktion der Zunge im Mundraum in Bezug auf die Länge, die Beweglichkeit und die Elastizität hin beurteilen. Die Beweglichkeit der Zunge kann sich im Laufe der Stillzeit auch verändern und dehnfähiger werden. Entscheidend ist natürlich bei der abwartenden Methode, wie ausgeprägt die vorhandene Beschwerden sind.
Wenn diese das Stillen stark erschweren, ist meist eine Durchtrennung des Zungenbändchens (Frenotomie) empfehlenswert. Dieser recht schnelle und unkomplizierte Eingriff wird von Kinderärzten und Chirurgen durchgeführt. Eventuell wird dafür noch zuvor ein lokal betäubendes Gel aufgetragen, bevor das Zungenbändchen mit einer entsprechenden Schere durchtrennt wird. Das Baby kann in der Regel direkt danach wieder stillen und die meisten Mütter merken schon beim ersten anschließenden Anlegen eine deutliche Verbesserung der Stillsituation.
Nicht jedes kurze Zungenbändchen macht automatisch Probleme. Und nicht jedes muss operativ durchtrennt werden. Auch bei bereits aufgetretenen Schwierigkeiten kann zunächst versucht werden, durch eine Optimierung des Stillmanagements (etwa eine bessere Anlegetechnik) die Situation zu verbessern. Stillberaterin oder Hebamme können und sollten hier den Verlauf engmaschig begleiten. Wenn die Probleme jedoch trotz Unterstützung anhalten, kann die Durchtrennung des Zungenbändchens eine gute und nachhaltige Lösung sein. Anhaltende Beschwerden sind sonst nämlich ein häufiger Abstillgrund. Wichtig bei Schwierigkeiten, die durch ein zu kurzes Zungenbändchen bedingt sind, ist eine gute und kontinuierliche Begleitung von Anfang an. So lässt sich eine individuelle und für die Situation passende Lösung finden.
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