Die Gründe, weshalb Menschen sich für eine vegetarische oder vegane Ernährung entscheiden, sind vielfältig. Die Verbesserung der eigenen Gesundheit, Tierschutz, Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder vielleicht auch eine Aversion gegen tierische Produkte sind mögliche Gründe.
Das Thema vegane Ernährung ist in den letzten Jahren immer präsenter geworden. Während es vor über 25 Jahren im Restaurant für mich oft noch so war, dass die Beilagen eines Fleischgerichtes das vegetarische Gericht darstellten, hat man mittlerweile zahlreiche Möglichkeit sich ausgewogen und lecker pflanzenbasiert zu ernähren – auch unterwegs. Die vegane, also rein pflanzliche Ernährung, wird in der Regel toleriert oder sogar befürwortet – auch von Nichtveganern. Es ist längst keine „verrückte Essgewohnheit“ mehr. Und mehr Menschen zeigen zumindest positives Interesse daran, wenn man sich vegan ernährt.
Wenn Veganerinnen allerdings schwanger werden oder ein Baby stillen, werden die kritischen Stimmen jedoch ganz schnell lauter. Die Hauptsorge ist, dass dem ungeborenen Kind oder dem gestillten Baby ein Nährstoffmangel drohe, wenn die Mutter keine tierischen Produkte zu sich nehmen würde.
Nährstoffmangel kann in jeder Ernährungsform auftreten
Und ja, es stimmt, dass es zu einem Nährstoffmangel mit negativen Auswirkungen auf das Kind kommen kann. Das gilt aber für alle Ernährungsformen. Völlig unabhängig von dieser kann eine einseitige Ernährung zu Mangelzuständen führen. Gerade in der Schwangerschaft ist der Bedarf an bestimmten Nährstoffen erhöht. Diese Nährstoffe sind aber sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln zu finden.
Eine Ausnahme stellt das Vitamin B12 da. Während Allesesser oder Vegetarier Vitamin B12 ausreichend über Fleisch, Milchprodukte und Eier aufnehmen, ist es in rein pflanzlichen Lebensmitteln nicht ausreichend vorhanden. Die Bioverfügbarkeit (etwa in Nori-Algen) ist nicht ausreichend belegt. Daher muss Vitamin B12 ergänzend zugeführt werden. Ein B12-Mangel kann unabhängig von der Ernährungsweise auftreten, zum Beispiel, wenn es nicht ausreichend resorbiert wird. Das kann zum Beispiel bei entzündlichen Darmerkrankungen oder Entzündungen der Magenschleimhaut der Fall sein. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente kann die Aufnahme von Vitamin B12 hemmen. Veganer wissen in der Regel um die Notwendigkeit der Vitamin B12-Ergänzung.
Auch die ergänzende Einnahme von DHA (Omega 3-Fettsäuren) ist für vegane Schwangere und Stillende empfehlenswert. Es gibt mit DHA angereicherte Öle oder rein pflanzliche Supplemente auf Algenbasis. Unabhängig von der Ernährungsform haben viele Menschen gerade in den Wintermonaten einen Vitamin D-Mangel, weil die Sonnenexposition in dieser Zeit zu gering ist. Um hier bedarfsgerecht zu ergänzen, sollte man gegebenenfalls den Blutwert überprüfen. Generell wird aber empfohlen, dass sich Schwangere täglich an der frischen Luft bewegen sollten. Dies kann die Vitamin D-Versorgung verbessern.
Blut in Bezug auf bestimmte Nährstoffe untersuchen
Das B-Vitamin Folat spielt eine wichtige Rolle bei der Neubildung und Teilung von Körperzellen. Frauen mit Kinderwunsch wird zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung die täglich Einnahme eines Supplement mit 400 µg Folsäure empfohlen, um das Risiko von kindlichen Fehlbildungen des Nervensystems bzw. Neuralrohrdefekten zu senken.
Da es einige Wochen dauert, bis eine präventiv wirksame Folsäurekonzentration im Körper erreicht ist, muss bereits vor der Befruchtung mit der Supplementierung begonnen werden. Es wird empfohlen, die Einnahme mindestens zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortzusetzen. Veganerinnen essen meist generell recht folatreich, weil Folat vor allem in grünem Blattgemüse, Kohl, Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide vorkommt.
Es kann durchaus sinnvoll sein, das Blut in Bezug auf bestimmte Nährstoffe einmal untersuchen zu lassen. Hier findet sich eine Übersicht, welche Untersuchungen wann sinnvoll sein können. Die Kosten für diese Blutuntersuchungen müssen meist selbst gezahlt werden. Bei einem Verdacht auf einen Nährstoffmangel werden sie teilweise von den Krankenkassen übernommen. Die mögliche Einnahme weiterer Nahrungsergänzungsmittel sollte immer individuell besprochen werden. Das gilt für jede schwangere oder stillende Frau.
Vegan lebende Schwangere fast immer besonders gut informiert
Auch der generellen Empfehlung bestimmter Nahrungsergänzungsmittel in der Schwangerschaft wie etwa für die Einnahme von Jod sollte immer nur unter Berücksichtigung der individuellen Ernährungsgewohnheiten nachgekommen werden. Als Hebamme habe ich die vegan lebenden Schwangeren fast immer als besonders gut informiert erlebt. Und anders herum habe ich auch immer wieder ein sehr ungesundes und einseitiges Essverhalten bei Frauen mit einer anderen Ernährungsweise erlebt.
Ungesund essen kann man auf viele Arten und Weisen. Trotzdem sind die Vorbehalte der deutschen Fachgesellschaften dem Thema gegenüber noch immer groß. Hingegen spricht sich die US-amerikanische Gesellschaft der Diätassistenten und Ernährungswissenschaftler (Academy of Nutrition and Dietetics) dafür aus, dass eine sorgfältig geplante vegetarische oder vegane Ernährung in allen Lebensphasen möglich ist, inklusive Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglingsalter und Kindheit.
Informieren statt verunsichern
Es ist also gut möglich, sich auch in den Zeiten mit einem erhöhten Nährstoffbedarf rein pflanzlich zu ernähren. Gut informiert zu sein gerade in Bezug auf kritische Nährstoffe wie Vitamin B12, Eisen, Zink, langkettige Omega-3-Fettsäuren, Jod oder Vitamin B2 ist eine wichtige Voraussetzung. Auch wenn es den Punkt Ernährungsberatung im Mutterpass gibt, darf man nicht davon ausgehen, dass Ärzte und auch Hebammen sich überdurchschnittlich gut mit diesem Thema auskennen, gerade wenn es um vegane Ernährung geht.
Mittlerweile gibt es aber Ernährungsberater, die sich genau darauf spezialisiert haben. Und auch auf dem Buchmarkt gibt es mehr und mehr Literatur zu diesem Thema. Es ist zu hoffen, dass sich auch beim Fachpersonal das Wissen zu diesem Thema erweitert und schwangere Frauen gut informiert begleitet werden, anstatt sie unnötig zu verunsichern.
Interessante Literatur zum Thema:
Vegane Ernährung. Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost: Mutter und Kind gut versorgt
von Edith Gätjen und Markus Keller
Eugen Ulmer Verlag, 189 Seiten
24,90 Euro
Vegan in anderen Umständen
von Carmen Hercegfi
GrünerSinn-Verlag, 288 Seiten
34,95 Euro
Informationen über vegane Ernährung in der Schwangerschaft:
Deutschlandistvegan | Vegane Familien | proveginternational (früher VEBU) | EatrightPro (Academy of Nutrition and Dietetics | „Vegan ist ungesund“ (YouTube)
Fortbildung zum Thema vegane Ernährung:
Vegan von Anfang an – geht das? | Bedarfsgerechte pflanzliche Ernährung
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