Schwangerschaft und Geburt fordern den Körper. Die Auswirkungen sind oft noch lange darüber hinaus spürbar. Rückenschmerzen, vor allem jene im Lendenwirbelsäulenbereich, hängen häufig mit dem Zustand des Beckenbodens nach der Geburt zusammen. Diese lumbalen Rückenschmerzen sind auch bedingt durch die veränderte Haltung und Statik des Körpers in der Schwangerschaft. Die querverlaufenden Bauchmuskeln sind entsprechend gedehnt und geschwächt. Schwangerschaftshormone haben Muskulatur und Bänder gelockert. Der ganze Bereich ist deutlich instabil. Es braucht Monate, bis sich alles wieder regeneriert hat.
Tatsächlich ist es gerade in Bezug auf den Beckenboden wichtig, diesen durch schweres Heben und Tragen nicht zusätzlich zu belasten. Das Gewicht des Babys liegt nach der Geburt in der Regel zwischen 2,5 und 4,5 Kilogramm. Das sollte vor allem im Wochenbett als persönliche Belastungsgrenze gelten. Damit ist aber wirklich nur das Baby gemeint und nicht zusätzlich noch die Autoschale, die sich zudem nur schwer Rücken- und Beckenbodenfreundlich tragen lassen.
Natürlich nehmen die Kinder relativ schnell an Gewicht zu, so dass die Belastung stetig ansteigt. Genau deshalb ist es sinnvoll, das Baby möglichst von Anfang an zu tragen, damit sich die Muskulatur entsprechend anpasst. Mütter, die Probleme mit dem Rücken oder dem Beckenboden haben, hören häufig, dass sie ihr Baby besser nicht im Tragetuch oder in einer Tragehilfe tragen sollten. Die Idee dahinter ist, Rücken und Beckenboden zu entlasten.
Tragen im Tragetuch fördert eine aufrechte Haltung
Gerade Frauen mit diesen Schwierigkeiten profitieren davon, wenn sie Baby richtig tragen. Babys kommen in der Erwartung auf die Welt, getragen zu werden. In den ersten Tagen lassen sich viele Neugeborene noch relativ leicht auch mal „länger“ ablegen. Doch mit zwei oder drei Wochen steigt häufig das Bedürfnis stark an, am liebsten auf dem Arm zu sein. Wenn ein Partner oder andere unterstützenden Menschen zugegen sind, lässt sich das Tragebedürfnis natürlich gut auch auf andere Schultern verteilen. Aber viele Mütter stehen nach wenigen Wochen einen Großteil des Tages „allein“ mit dem Baby und all seinen Bedürfnissen da. Der Beckenboden hat sich dann längst noch nicht umfassend erholt. Auch Muskulatur und Bänder brauchen wesentlich mehr Zeit.
Wird Müttern dann von der Anwendung eines Tragetuchs oder einer Tragehilfe abgeraten, können sich die Beschwerden eher noch verstärken. Ohne Tragehilfe ist es viel wahrscheinlicher, das Baby eben nicht rückenfreundlich zu tragen. Schon allein, wenn es auf einem Arm „balanciert“ wird, ist das Gewicht ungleichmäßig auf den Körper verteilt. Die Benutzung eines Tragetuchs hingegen fördert eine aufrechte Haltung. So trägt man das Kind immer automatisch körpernah. Mit Kind im Tuch oder in der Trage steht und sitzt man aufrechter. Selbst das in die Knie gehen wird automatisch rückenfreundlicher sein, weil man sich dabei nicht ungünstig nach vorne beugen wird.
Jeder Mutterkörper und jedes Baby ist anders
Beim Tragen fangen wir meist automatisch an, unseren Körper zu bewegen. Das Wiegen und Kreisen des Beckens lockert die Wirbelsäule. Es sprechen also mehrere Anhaltspunkte dafür, gerade bei Beschwerden von Beckenboden oder Rücken das Tragen in den Alltag zu integrieren. Wichtig ist es, folgende Punkte zu beachten:
- Das Baby muss wirklich gut und körpernah gebunden sein. Tuchbahnen oder Träger sollten das Gewicht gleichmäßig auf den Schultern verteilen und auch bei längerer Tragezeit nicht nachgeben. Um die passende Bindetechnik oder Fertigtrage zu finden, ist eine Trageberatung unerlässlich.
- Trageberaterinnen bringen meist verschiedene Tragesysteme mit, die dann in Ruhe ausprobiert werden können. Jeder Mutterkörper und jedes Baby ist anders, so dass es nicht die eine Trage gibt, die für alle passt.
- Die gewählte Tragevariante sollte sich unkompliziert in den Alltag integrieren lassen. Nur so ist eine sinnvolle Nutzung möglich. Dauert das Binden oder Anlegen zu lange, wird doch lieber die Autoschale mit dem Baby mal eben in den fünften Stock hochgeschleppt. Oft sehe ich Mütter, die mit einer Hand den Kinderwagen schieben und auf dem anderen Arm das Kind schleppen. Für solche Situationen ist der Einsatz einer Trage ideal. Es geht nicht um entweder oder. Sowohl Kinderwagen als Tragehilfe haben beide eine Berechtigung. Beim Schieben des Kinderwagens sollte man natürlich auch gut auf die Haltung achten. Das Umfassen des Schiebegriffs von unten sorgt zum Beispiel automatisch für etwas mehr Aufrichtung.
- Die Tragevariante sollte entsprechend angepasst sein. Wenn das Kind schwerer wird, kann zum Beispiel das Tragen auf dem Rücken sinnvoll sein. Das „Kind mal kurz auf die Hüfte setzen“ wird sinnvoll durch den Einsatz eines Slings unterstützt. Ansonsten trägt man sein Baby schnell „schief“ und einseitig, da die meisten von uns eine Lieblingsseite zum Tragen haben.
Wichtig ist: Die Tragezeiten immer den eigenen körperlichen Bedürfnissen anpassen. Die Signale (etwa Druckgefühl nach unten oder Schmerzen), die der Körper aussendet, sollte niemand ignorieren. Es ist sehr unterschiedlich, wie es Frauen nach der Geburt geht – auch noch Monate danach. Für manche Frauen ist es gut möglich, auch drei Stunden mit dem Tragling durch die Berge zu wandern. Doch gerade bei Rückenschmerzen oder Beckenbodenproblemen geht es darum, den Alltag durch das Tragen zu entlasten und keinen „Tragemarathon“ zu gewinnen.
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