Beim Thema Beikost geht es automatisch immer um die Frage, wie Eltern sicherstellen können, dass ihr Baby auch wirklich genug Nahrung und alle Nährstoffe in der benötigten Menge bekommt. So sagte eine Mutter letztens: „Ich will doch unter Kontrolle haben, dass mein Kind alles bekommt, was es braucht!“ Nun, ja, manchmal wäre es wirklich praktisch, wenn wir das „unter Kontrolle“ hätten. Wenn wir exakt wüssten, was das Kind braucht und welche Mengen es isst. Doch schon beim Stillen bleibt es ein Rätsel, wie viel Muttermilch das Baby eigentlich mit einer Stillmahlzeit genau zu sich genommen hat.
Letztlich wissen wir nicht einmal theoretisch präzise, was ein Baby exakt heute benötigt. Und auch wenn es wichtig ausschauende Tabellen vielleicht suggerieren, weiß man es auch durch sie letztlich nicht. Es fängt schon damit an, dass jedes Baby mit großen Unterschieden bei Gewicht und Länge zur Welt kommt. Und auch danach ist das Wachstum derart unterschiedlich, dass sich daraus kein allgemein gültiger Wert bezüglich des Nährstoffbedarfs benennen lässt. Bei einem Erwachsenen würde das übrigens auch niemand versuchen, weil wir wissen, dass so viele individuelle Punkte zur möglichen Berechnung des individuellen Nährstoffbedarfs zu berücksichtigen sind.
Unsere Babys aber sollen alle gleich sein? Dabei krabbelt doch das eine Kind schon mit sechs Monaten, während das andere da gerade erst das Drehen perfektioniert. Die einen laufen mit zehn Monaten los, die anderen sind vielleicht „erst“ mit eineinhalb Jahren soweit. Manche Kinder wachsen in drei Monaten gefühlt durch drei Kleidergrößen, andere passen lange in die gleichen Sachen. Und selbst, wenn man diese Umstände noch irgendwie tabellarisch berücksichtigen würde, ist einfach jeder Tag anders. Deshalb essen Babys ja auch jeden Tag anders. Wir großen Menschen tun das übrigens auch. Ohne groß darüber nachzudenken.
Urangst steckt in uns allen drin
Wenn wir unseren Teller nicht leer essen, haben wir in der Regel einfach keinen Appetit mehr. Wenn wir eine zweite Portion nachnehmen, dann ist der Hunger wohl einfach größer an diesem Tag. Die Rede ist hier wohlgemerkt von gesundem, ausgewogenen Essen. Denn beim Konsum von süßen, salzigen und fettigen Snacks wirken noch mal ganz andere Mechanismen, die deren Verzehr ankurbeln.
Aber ob das Baby zwei oder zehn Löffel vom Kartoffelbrei beziehungsweise drei oder acht Broccoli-Röschen verspeist, ist unerheblich. Wenn Eltern einem gesunden Kind ein gesundes Angebot machen, wird es sich davon bedienen oder damit füttern lassen. An manchen Tagen mehr, an manchen weniger und an manchen vielleicht auch gar nicht. Ein gesundes Kind hat nie die Absicht zu verhungern. Es wird dann wahrscheinlich zum Beispiel mehr stillen. Und wenn sich vielleicht gerade eine Erkältung anbahnt, ist sogar der Milchhunger geringer. Genauso gibt es Phasen, in denen Kinder plötzlich große Mengen essen und Eltern sich dann auch wieder fragen, ob das normal ist.
Denn weder wenig noch viel passt so richtig in die vermeintlichen Tabellen, an denen wir uns gerne orientieren würden. Und das nicht mal unbedingt, weil wir alle Kontrollfreaks sind. Sondern einfach aus der gesunden elterlichen Sorge heraus, dass unser Kind nicht genug Nahrung bekommen könnte. Diese Urangst steckt in uns allen drin. Sie sorgt dafür, dass wir das Bedürfnis des Kindes nach angemessener Nahrung ernst nehmen und erfüllen.
Gesundes Essensangebot machen
Ja, es ist lebenswichtig, dem Kind Nahrung anzubieten. Schon bei den ganz kleinen Neugeborenen müssen Eltern lernen, ihre frühen Hungerzeichen zu deuten und ihnen dann die Brust oder bei nicht gestillten Kinder entsprechend Pre-Nahrung anzubieten. Unsere Kinder sind relativ lange davon abhängig, dass wir sie angemessen mit Nahrung versorgen. Doch diese verantwortungsvolle Aufgabe sollte nicht zum Essstress ausarten, sondern uns gleichzeitig lehren, dem Kind zu vertrauen. Denn das müssen wir, weil es nicht möglich ist – zumindest nicht gewaltfrei – einem anderen Menschen das Essen aufzuzwängen.
Auch mit drei, fünf, sieben oder siebzehn Jahren werden unsere Kinder Phasen haben, in denen sie wahrscheinlich so ganz anders essen, als wir uns das idealerweise vorstellen. Die elterliche Aufgabe kann und wird auch dann nur sein, ein gesundes Angebot zu machen. Und natürlich auch selbst als Vorbild zu agieren, weil sich unsere Kinder nun mal wesentlich mehr an dem orientieren, was wir tun als an dem was wir sagen. Deshalb fängt man am besten schon früh genug an, sich in Sachen Essen zu entspannen, wenn das Kind sonst wächst und gedeiht und auch der Kinderarzt keinen Anhaltspunkt für eine nicht altersentsprechende Entwicklung feststellen kann.
In den meisten Fällen ist das, was wir Eltern vielleicht als „kompliziertes“ Essverhalten wahrnehmen, nämlich ganz normal. Je normaler wir damit umgehen, umso einfacher kann ein Kind lernen, seine Hunger- und Sättigungsbedürfnisse wahrzunehmen. Denn für die Kinder hier ist es eher eine zukünftige Herausforderung mit dem großen Überangebot an (oftmals nicht wirklich gesunder) Nahrung um sie herum umzugehen, als dass sie wirklich durch einen Nahrungsmangel gefährdet wären.
Trotzdem bleibt die elterliche Urangst, dass unser Kind nicht genug zu essen bekommen könnte. Statt zu versuchen, dieser mit einer übermäßigen Kontrolle des kindlichen Essverhaltens zu begegnen, sollten wir den Blick lieber auf die gesamte Entwicklung unseres Kindes werfen. Denn die sagt in den meisten Fällen, dass alles in Ordnung ist. Auch wenn der Teller heute und vielleicht auch morgen nicht leer gegessen wird.
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