Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich den Begriff Alleingeburt zu Beginn meiner Hebammenlaufbahn überhaupt kannte. Fakt ist aber, dass man in den letzten Jahren immer häufiger davon hört und auch liest. Alleingeburt beschreibt eine Geburt in kompletter Eigenregie der Gebärenden ohne fachliche Unterstützung. Und das in der Regel geplant und nicht etwa, weil die Hebamme es nicht mehr rechtzeitig zu einer schnell verlaufenden Geburt schafft. Oder weil es die Mutter nicht mehr schafft, zum ursprünglich geplanten Geburtsort etwa ins Geburtshaus oder die Klinik zu fahren.
Manchmal entscheiden sich Frauen für eine Alleingeburt, die eine alles andere als selbstbestimmte Geburt beim ersten Kind erlebt haben. Und die wissen, wie sehr sich das Einmischen negativ auf die natürlichen Prozesse unter der Geburt ausgewirkt hat. Oder es sind Frauen, die in den Stunden der Geburt einfach von nichts und niemanden gestört werden wollen. Die individuellen Gründe sind sicher vielfältig. Die Frauen, die diesen Weg gehen, haben oft ein gutes Körperbewusstsein und viel Vertrauen in sich und ihre Gebärfähigkeit. Meist haben sie sich intensiv mit dem Themen Schwangerschaft und Geburt auseinandergesetzt.
Von meinen beruflichen Erfahrungen als Hebamme geprägt plädiere ich dennoch dafür, dass jede Frau fachlichen Beistand zumindest in unmittelbarer Nähe hat, falls doch schnelle Hilfe erforderlich sein sollte. Dennoch kann ich die Beweggründe für eine komplette Alleingeburt zum Teil nachvollziehen. Und ich möchte auch keiner Frau ihre Selbstbestimmung absprechen. Auch dann nicht, wenn es für mich persönlich keine Option ist, die ich empfehlen würde.
Alternative, die keine wirkliche Alternative ist
Doch manchmal denken auch Frauen, die keine passende Hebamme für die Geburt finden, über eine Alleingeburt nach. Aber da fängt es an, sehr schwierig zu werden mit dem, was diese Frau sich eigentlich wünscht und wofür sie sich letztendlich entscheidet. Die Suche nach einer Hebamme signalisiert ja den eigentlichen Wunsch nach fachlichem Beistand unter der Geburt. Wenn sich dafür nun keine Hebamme findet, wäre die Alleingeburt auch nur ein Kompromiss. Auch die Geburt in der Klinik mit einer unbekannten Hebamme wäre einer. Und es wäre eine Entscheidung, die wenig mit der Selbstbestimmung zu tun hat, nach der die Alleingeburt klingt.
Ich verstehe durchaus den Impuls, „es einfach dann ganz alleine zu machen“. Gerade dann, wenn das System nicht mehr die Option bietet, die eigentlich gewünscht wäre. Doch in dem Fall war das ja gar nicht der eigentliche Wunsch. Und die fehlende Unterstützung kann wiederum Angst unter der Geburt mit hineinbringen. Das ist natürlich nicht förderlich für den Geburtsverlauf. Doch wahrscheinlich macht manchen Menschen die Aussicht auf eine Klinikgeburt mit unbekanntem Personal noch mehr Angst, als die gänzlich unbegleitete Geburt.
Manchmal sind es zuvor erlebte Traumata, die eine Geburt im Krankenhaus unvorstellbar machen. Wenn eine Frau dann keine Hebamme für eine Hausgeburt findet, ist das mehr als tragisch. Es geht schließlich nicht nur um ein bisschen „heimisches Wellness-Gefühl“ unter der Geburt, wie es von Kritikern der außerklinischen Geburtshilfe gerne behauptet wird. Es geht darum, dass es für manche Frauen einfach keinen Plan B gibt, wenn keine Hebamme zur Geburt nach Hause kommt. Und dann bleibt für diese Frau vielleicht nur die Alleingeburt als Alternative. Eine Alternative, die keine wirkliche Alternative ist.
Links zum Thema Alleingeburt
Geburtsbericht über eine Alleingeburt in Indien auf dem Hebammenblog | Geburtsbericht über eine Alleingeburt auf dem Blog Meisterin der Geburt | Interview mit einer erfahrenen Alleingeburtsmutter auf dem Blog Stadt Land Mama | BLOG: Geburt in Eigenregie
Literatur zum Thema Alleingeburt
Alleingeburt von Sarah Schmid | Meisterin der Geburt von Jobina Schenk
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