Mit jeder Absage für Hebammenbetreuung, die ich verteilen muss, gebe ich den Frauen noch ein paar Links mit auf den Weg. Zum einen jene, die noch mögliche Optionen aufzeigen, wo jemand noch nach einer Hebamme suchen könnte. Zum anderen Links, die Informationen zur Unterversorgung mit Hebammenhilfe enthalten.
Viele Frauen bedanken sich dafür und schreiben, dass sie hoffen, dass sich die Situation für uns Hebammen verbessert und sie wünschen mir alles Gute. Natürlich ist das sehr nett gemeint, aber es fühlt sich jedes Mal immer „etwas falsch“ an. Warum? Weil ich denke, dass ich als Hebamme weniger ein Problem habe, als es die Mutter hat, die wohl ihrem errechneten Geburtstermin nach wahrscheinlich keine Hebamme mehr finden wird.
Natürlich verdienen wir als Hebammen zu wenig, aber das war auch schon vor etlichen Jahren der Fall. Daran hat sich nichts verbessert, aber es ist momentan zumindest eine andere Aufmerksamkeit dafür da. Die Auflagen für das Qualitätsmanagement rauben zwar wertvolle Arbeitszeit, aber zumindest momentan ist das QM noch ohne allzu großen Aufwand umsetzbar, wobei sich das sicherlich zukünftig noch mal ändern wird. Die ewigen Abrechnungsprobleme gibt es zwar weiterhin, aber so „richtig lieb gehabt“ haben uns die Krankenkassen ohnehin noch nie. Auch für die Versicherungssituation gibt es derzeit zumindest eine „halbgare Lösung“.
Hebammen überall gesucht
Aber abgesehen von diesen Punkten geht es mir als Hebamme nicht unbedingt schlechter als vor fünfzehn Jahren. Zum Beispiel hatte ich damals alle Berliner Kliniken angeschrieben, um im Kreißsaal als Hebamme arbeiten zu können. Fast überall waren die Stellen komplett besetzt. So fuhr ich für meine erste Stelle zunächst jeden Tag eine gute Stunde bis ans andere Ende der Stadt. Heute wird fast überall in den Kliniken nach Hebammen gesucht und man bekommt nicht selten sofort einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Natürlich sorgt fehlendes Personal nicht gerade für gute Arbeitsbedingungen, doch wenn es zu schlimm wird, kann man ja auch immer kündigen. In dem Wissen, dass man relativ schnell eine neue Stelle finden wird oder zum Beispiel auch in der Schweiz willkommen ist, die Hebammen deutlich besser bezahlt. Die Seiten mit den Stellenanzeigen in den Fachzeitschriften für Hebammen nehmen derzeit gefühlt ein Drittel des jeweiligen Heftes ein.
Aber auch freiberuflich muss man sich keine Sorgen machen, genug Arbeit zu haben. Ich bin damals noch weite Wege durch ganz Berlin gefahren. Heute braucht sich hier in Berlin eine Berufsanfängerin nicht extra ein Auto anschaffen, weil sie mit relativer Sicherheit auch in dem Kiez, in dem sie wohnt, genug Arbeit finden wird. Große Werbemassnahmen sind meist auch nicht notwendig, weil jede absagende Hebamme froh ist, wenn sie noch jemanden weiterempfehlen kann. Außerdem kann man seine Arbeit mittlerweile gut langfristiger planen, weil die Frauen sich immer früher für die Hebammenbegleitung anmelden, oft schon in den allerersten Tagen und Wochen ihrer Schwangerschaft.
Was sich definitiv verschlechtert hat, ist eine Vertretung zu finden, zum Beispiel für Urlaubszeiten oder die temporäre Abwesenheit, um seiner Fortbildungspflicht nachzukommen. Doch auch wenn man keine Vertretung hat, haben die Frauen großes Verständnis und sind dankbar, wenn überhaupt jemand kommt. Trotzdem sollte das natürlich kein Weg sein, aber bevor überhaupt gar keiner kommt, ist es immerhin eine Option. Im Sinne der von den Krankenkassen geforderten Qualitätssicherung ist das sicherlich nicht, aber eine Alternative können sie auch nicht anbieten. Es sind mittlerweile nicht nur werdende Eltern, die nach Hebamemnbetreuung fragen, sondern auch Headhunter, die im Auftrag von Kliniken Hebammen suchen, um akut die Schließung geburtshilflicher Abteilungen zu verhindern. Und auch Mitarbeiter der Krankenkasse melden sich zunehmend, wenn sich die Versicherten – zu Recht – dort darüber beschweren, dass sie keine Hebamme finden.
Guter Start für alle Familien
Fakt ist also, dass man sich als Hebamme gerade sogar ein bisschen aussuchen kann, wo und wie man arbeiten möchte. Die nach wie vor meist schlechte Bezahlung dafür sind wir gewohnt. Das „Mitleid“ habe ich also primär mit den Frauen, die gerade mit den Auswirkungen konfrontiert sind und die am Ende womöglich ohne Hebammenbetreuung dastehen, ob nun im Kreißsaal oder zu Hause. Die Bundeselterninitiative Mother Hood weist ja schon lange darauf hin, dass es darum geht, dass alle Familien einen gut begleiteten Start haben können und nicht darum, eine Berufsgruppe vor dem Aussterben zu retten.
Es gibt in Deutschland aktuell immer weniger Hebammen und auch der Hebammennachwuchs fehlt, obwohl mehr als genug Arbeit da ist. Ich will die Probleme und Sorgen von uns Hebammen an dieser Stelle sicherlich nicht klein reden, aber die viel unmittelbareren Auswirkungen spüren diejenigen, die jetzt keine ausreichende Hebammenunterstützung mehr bekommen. Sei es vor, bei oder nach der Geburt. Darum wünsche ich mir selbst auch alles Gute. Als Hebamme, aber eigentlich noch viel mehr als Mutter, wünsche ich mir, dass sich die Situation endlich nachhaltig verbessert, damit jede Familie die Unterstützung in dieser besonderen Lebensphase bekommt, die ihr individuell gut tut.
Schreibe einen Kommentar