Ich lese und höre relativ häufig, dass eine Geburt in einem Notkaiserschnitt endete. Die Häufigkeit der Schilderungen passt jedoch so gar nicht zur Realität im Kreißsaal. Dort kommt die notfallmäßige Sectio caesarea, sprich der Notkaiserschnitt, doch eher selten vor.
Es gibt dort geplante und ungeplante Kaiserschnitte. Geplant sind diese zum Beispiel beim Vorliegen einer nicht geburtsmöglichen Lage wie der Querlage des Kindes im Bauch. Ein Grund ist auch, wenn der Mutterkuchen vor dem Muttermund liegt. Ebenso werden Geburten aus Beckenendlage oder Geburten von Mehrlingen häufig als geplante Kaiserschnitte durchgeführt. Und das, obwohl sie auch als vaginale Geburten möglich wären. Es wird also vorab ein Termin vereinbart, an dem der Kaiserschnitt stattfinden soll. Nur wenn vorher schon Wehen oder ein Blasensprung auftreten, wird der geplante Termin entsprechend vorverlegt.
Ein Notkaiserschnitt ist immer ein ungeplanter Kaiserschnitt, auch sekundäre Sectio genannt. Dennoch ist nicht jede sekundäre Sectio immer auch gleich ein Notkaiserschnitt. Natürlich ist ein vorher nicht absehbarer Kaiserschnitt immer ein sehr intensives und meist auch beängstigendes Ereignis für eine Frau, die sich auf eine „normale“ Geburt eingestellt hatte. Doch der Notkaiserschnitt ist noch mal eine besonders dramatische Situation. Hier sind wirklich die Gesundheit und das Leben von Mutter oder Kind akut gefährdet. Dementsprechend muss zügig und unmittelbar gehandelt werden.
Die meisten sekundären Kaiserschnitte kündigen sich im Geburtsverlauf an, wenn dieser zum Beispiel über Stunden stagniert. Solange es Mutter und Kind gut geht, bleibt auch genug Zeit für eine entsprechend ausführliche OP- und Anäthesieaufklärung. Die üblichen OP-Vorbereitungen wie zum Beispiel das Legen eines Blasenkatheters oder gegebenenfalls eine Rasur im Operationsbereich finden ohne übergroße Eile statt. Zur Betäubung des Operationsgebietes wird eine Peridual- (PDA) oder Spinalanästhesie (SPA) gemacht. Manchmal wird auch eine Kombination (CSE) beider Verfahren gemacht. Die Desinfektion des OP-Gebietes, also des Bauches mit dem Baby darin, findet dabei „in Ruhe“ statt.
Eilige Sectio ist noch keine Notsectio
Bei der eiligen oder auch dringlichen Sectio finden auch noch all diese Maßnahmen statt. Aber alles läuft entsprechend zügiger ab. Auch die OP-Aufklärung fällt etwas knapper aus. Das Baby sollte spätestens innerhalb von 20 bis 30 Minuten geboren sein, ausgehend von dem Zeitpunkt, ab dem die Entscheidung zum Kaiserschnitt gefallen ist. Eventuell wird der Mutter zur Überbrückung dieses Zeitraumes ein wehenhemmendes Medikament (Fenoterol) gespritzt. Außerdem wird immer der Kinderarzt hinzugerufen.
Bei einer Notsectio ist die schnellstmögliche Geburt erforderlich und die sollte in weniger als zehn (bis maximal zwanzig) Minuten stattfinden. In entsprechend ausgestatteten Krankenhäusern beträgt die EE-Zeit sogar nur fünf bis zehn Minuten. Die EE-Zeit ist der Zeitraum zwischen dem Entschluss zum Kaiserschnitt bis zur Entwicklung des Kindes aus dem Bauch der Mutter. Damit diese kurze Zeit machbar ist, gibt es in den meisten Kliniken einen „Alarmknopf“, mit dem im Notfall alle für die OP erforderlichen Fachleute zusammengerufen werden können. Außerdem gibt es einen festgelegten Ablauf. So weiß jeder genau, was zu tun ist und Chaos wird vermieden.
Die Frau bekommt nur eine minimale Aufklärung darüber, was nun passiert. Sie erhält immer umgehend eine Vollnarkose. So ist der Beginn der OP viel schneller möglich als bei einer regionalen Betäubung. Der Anästhesist beginnt ohne vorherige Anamneseerhebung und ohne extra Einwilligung der Patientin mit der Intubation. Auch die Desinfektion von Operateur und Operationsgebiet findet nur notfallmäßig statt. Es bleibt keine Zeit für lange Einwirkzeiten. Der Notkaiserschnitt ist eine hochdramatische und für die Eltern in der Regel sehr traumatische Situation. Zum Glück kommt ein Kaiserschnitt in dieser Dramatik selten vor. Und übrigens auch wesentlich seltener, als davon berichtet wird.
Ungeplante Kaiserschnitte oft sehr belastend
Dennoch sind auch ungeplante Kaiserschnitte, die per Definition keine Notkaiserschnitte sind, oft belastend und schwer zu verarbeiten für die betroffenen Mütter. Nicht selten übrigens auch für die Väter. Die fühlen sich in dieser Situation meist entsetzlich hilflos. Sie haben eine große Angst um Frau und Kind. Trotzdem kann man meist sagen, dass bei es den „in Ruhe“ ausgeführten Kaiserschnitten in der Regel nicht in der Dimension um Leben und Tod geht. Das ist bei einer Notsectio etwa wegen einer vorzeitigen Plazentaablösung ganz anders.
Dass trotzdem so viele Frauen ihren ungeplanten Kaiserschnitt als „Notkaiserschnitt“ erleben, zeigt vielleicht auch ein bisschen, dass diese Geburt emotional nicht gut genug nachbereitet wurde. Es ist gerade bei schweren Geburtsverläufen so wichtig, dass die Eltern alle Entscheidungen unter der Geburt auch nachvollziehen können. Und wenn das während der Geburt selbst nicht möglich ist, müssen zumindest hinterher noch alle offenen Fragen geklärt und erklärt werden. Bei einer Notsectio ist die psychische Belastung wirklich extrem hoch. Ein Nachgespräch muss auf jeden Fall als erster kleiner Schritt zur Verarbeitung des Erlebten erfolgen.
Weiterführende Links:
Kaiserschnitt Netzwerk | Nach dem Kaiserschnitt
Weiterführende Literatur:
Der Kaiserschnitt hat kein Gesicht | Meine Wunschgeburt – Selbstbestimmt gebären nach Kaiserschnitt | Kaiserschnitt und Kaiserschnittmütter: Frauen erzählen, was sie erlebten und wie sie ihren Kaiserschnitt verarbeitet haben | Es ist vorbei – ich weiß es nur noch nicht: Bewältigung traumatischer Geburtserfahrungen
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