Es ist längst wissenschaftlich belegt, dass eine kontinuierliche fachliche Begleitung unter der Geburt den Schmerzmittelverbrauch sowie die Rate an geburtshilflich-operativen Eingriffen senkt. Ideal ist auch im klinischen Setting die Begleitung durch eine Beleghebamme, die sich zum Zeitpunkt der Geburt ausschließlich um eine Frau kümmert. Mit der Beleghebammensuche muss man als Schwangere allerdings am besten direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest beginnen…
Mit einer 1:1-Betreuung während der Geburt kann eine Klinik wohl heute nicht mehr werben. Denn in den wenigsten Häusern sind Geburtenzahl und Personalschlüssel aufeinander abgestimmt. Also werden am Infoabend meist alle zur Verfügung stehenden medikamentösen Methoden zur Schmerzlinderung ausführlich erläutert. Bei einer außenklinischen Geburt hingegen sind stärkere Schmerzmedikationen keine Option, weil diese aufgrund der Risiken von Nebenwirkungen nur im klinischen Setting genutzt werden dürfen.
Mit diesem Umstand kommen aber die meisten Frauen gut zurecht, die diesen Weg gewählt haben. Und das nicht, weil außenklinische Gebärende die „belastungsfähigeren Mütter“ sind. Sondern weil sie eben neben anderen unterstützenden Faktoren eine durchgehende Begleitung an ihrer Seite haben. Jemanden, der auch dann da ist und bleibt, wenn die Geburt phasenweise mal so richtig „doof“ wird. Nahezu jede Frau erlebt unter der Geburt Momente, in denen sie nicht mehr kann und nicht mehr möchte. Und gerade in diesen Momenten ist es wichtig, jemanden an der Seite zu haben, der da mit einem durchgeht. Der einen daran erinnert, wie stark man ist und was man alles schon geschafft hat und noch schaffen wird. Eine Person, die fest an einen glaubt und einem sagt, dass Frauen das können.
Periduralannästhesie für schmerzarme und „entspannte“ Geburt?
Daran glauben wir auch als Hebammen in der Klinik. Nur allzu oft bleibt nicht die Zeit, dies an die Frauen weiterzugeben. Es bleibt keine Zeit, gemeinsam mit der Frau durch eine anstrengende Geburtsphase zu gehen. Es bleibt keine Zeit, durch reine Anwesenheit mögliche Ängste zu reduzieren. Und Angst bewirkt Anspannung. Die wiederum verstärkt den Wehenschmerz. Es beginnt ein Teufelskreislauf, der sich nur schwer durchbrechen lässt, wenn eine ausreichende emphatische Zuwendung nicht möglich ist.
Wohl auch deshalb, weil Hebammen im Klinikalltag immer wieder keine durchgängige Zuwendung leisten können, fragen Frauen bei Klinikgeburten häufiger und früher im Geburtsverlauf nach Schmerzmitteln. Beim Infoabend in der Klinik wird also gerne „blumig“ erzählt, wie verschiedene Methoden, Medikamente oder auch eine PDA (Periduralannästhesie) zu einer schmerzarmen und „entspannten“ Geburt verhelfen können. Für die PDA, eine rückenmarksnahe Regionalanästhesie, wird ein Gemisch aus Opiaten und einem lokalen Betäubungsmittel über einen Katheter in den Peridualraum verabreicht. Dies führt zu einer Betäubung des Bereiches, in dem die Wehentätigkeit spürbar ist.
Im besten Fall sorgt die PDA bei sehr langen und schwierigen Geburtsverläufen für die dringend erforderliche Entspannung. Sie liefert eine Pause, damit die Frau noch mal Kraft für den restlichen Weg der Geburt schöpfen kann. Die PDA hat durchaus ihre Berechtigung in der Geburtshilfe, auch wenn man nicht verschweigen darf, dass sie auch negative Auswirkungen auf den Geburtsverlauf haben kann, ebenso wie Nebenwirkungen für Mutter und Kind.
PDA ersetzt viel zu oft die Hebamme
Die PDA sollte also nach einer guten Aufklärung der Eltern immer wohl überlegt eingesetzt werden. Doch mittlerweile ersetzt die PDA viel zu oft die Hebamme, die eigentlich genau in diesem Moment an die Seite der Frau gehört. Nur leider betreut die Hebamme zu diesem Zeitpunkt mehrere Frauen auf einmal. Und allerlei Nebenaufgaben werden dazu noch von ihr im Kreißsaal gefordert. Doch so sind nun einmal viel zu oft die Umstände in der Geburtsklinik.
Was erschwerend hinzu kommt, ist noch die Ungewissheit, wann eine Frau nach ihrem geäußerten PDA-Wunsch diese überhaupt bekommt. Eine PDA wird in der Regel von einem Anästhesisten gelegt, einem Facharzt für allgemeine und lokale Anästhesiemaßnahmen. Der verantwortet häufig aber zusätzlich viele Aufgaben im Bereich der Intensiv- und Notfallmedizin. Auch für diese Ärzte sieht der Personalschlüssel im Klinikbetrieb nicht besser aus als für Hebammen im Kreißsaal. Und darum steht allzu oft der einzig verfügbare Anästhesist gerade im OP oder ist auf der Intensivstation beschäftigt. So vergeht nicht selten ein Zeitraum von Stunden, bis eine PDA letztlich endlich wirksam liegt. Denn auch die Vorbereitung, das Legen selbst und das Einsetzen der medikamentösen Wirkung braucht seine Zeit.
Manchmal ist es auch schlicht vom Geburtsfortschritt her zu spät, noch eine PDA zu legen. Natürlich könnte man dann sagen, dass der Frau damit eine medizinische Intervention erspart geblieben ist. Aber Fakt ist, dass sich keine Frau unter der Geburt eine PDA grundlos wünscht. Und die Zeit ohne die angeforderte Schmerzlinderung zu verbringen, kann sehr sehr zermürbend oder sogar traumatisch sein. Es ist allerdings trotzdem keine wirklich sinnvolle Option, gleich mit Beginn der ersten unangenehmeren Wehen auf diese invasive Form der Schmerzlinderung zurückzugreifen.
Zuversicht versus Realität
Aber gerade von Frauen, die bereits einmal eine lange Wartezeit auf eine PDA erlebt haben, wird diese oft mit Betreten des Kreißsaals angefragt. Einfach weil sie bereits wissen, wie es sich anfühlt, wenn weder genug Personal noch eine ausreichende Schmerzlinderung vorhanden sind. Klar ist Es nützt nichts, auf dem Infoabend das Idealszenario darzustellen, wenn die Realität häufig ganz anders aussieht.
Sicher werden sich jetzt einige fragen, worüber ich hier überhaupt schreibe. Denn sie haben vielleicht sowohl eine Hebamme mit Zeit als auch eine wunschgemäße Schmerzlinderung im Kreißsaal gehabt. Aber immer wieder ist das Gegenteil der Fall. Und für jede einzelne davon betroffene Frau ist das sehr schlimm. In Geburtsvorbereitungskursen stehe ich immer wieder vor der Herausforderung, den Eltern Mut und Zuversicht zu vermitteln, aber gleichzeitig einen realistischen Einblick darüber zu geben, wie Geburten real oft ablaufen. Ein gute Geburtsvorbereitung kann viel bewirken.
Oft wird auch gerade von Ersteltern die Bedeutung eines kontinuierlichen Beistandes bei der Geburt unterschätzt. Auch die Personalsituation in der Wunschklinik kann sich von heute auf morgen ändern. Viele Geburtskliniken suchen mittlerweile dringend Hebammen, aber ebenso dringend auch Ärzte. Selbst Chefärzte fehlen vielerorts. Wenn fünf Vollzeitstellen in einem Kreißsaal unbesetzt sind, geht leider das beste, auf dem Papier erdachte Konzept einfach nicht mehr auf. Doch es wird weiter kaputt gespart in der Geburtshilfe, wie auch sonst in der Pflege und der medizinischen Betreuung von Patienten. Eine gute Behandlung wird somit immer mehr zur Glückssache, gerade bei so unplanbaren Ereignissen wie einer Geburt…
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