Dieser Text ist lang, sachlich und vermutlich stellenweise langweilig. Wer trotzdem bis zum Ende durchhält, wird aber nachvollziehen können, warum ich bis heute nicht verstehe, was sich da tatsächlich am 28. Juli 2015 bei einem Bürgerdialog des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin abspielte…

Zusammen mit anderen Bürgern, von denen der Großteil in medizinischen Berufen arbeitet, war ich zum Bürgerdialog mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe eingeladen. Das Motto lautete: „Gut leben in Deutschland – was uns wichtig ist.“ Nach kurzer Einleitung des Ministers sollten sich die Teilnehmer in Gruppen zusammenfinden, um die für sie brisanten Themen und mögliche Lösungen zu besprechen sowie diese später präsentieren. Es waren Themen wie „Personal im Gesundheitswesen“, „Forschung und Fortschritt“ oder „Prävention“ vorgegeben, aber die Moderatorin bot Spielraum für eigene Vorschläge an.

Zu Beginn der Veranstaltung lernte ich zwei Menschen kennen: einen jungen Vater, angehender Lehrer sowie eine Psychologin, die sich aktiv bei „Motherhood“ für die Rechte von Eltern in der Betreuung rund um die Geburt einsetzt. Für uns drei war das Hebammenthema gleichermaßen relevant, so dass wir die Moderatorin fragten, ob wir das gemeinsam in eine Gruppe mit dem Titel „Gute medizinische Versorgung“ einbringen können.

Antworten, die Fragen hinterlassen

Sie bejahte dies und erklärte, dass es beim Bürgerdialog einen Tag zuvor in Krefeld sogar eine eigene Gruppe gab, die sich ausschließlich mit der guten gesundheitlichen Versorgung in der Geburtshilfe beschäftige. In unserer Gruppe waren noch zwei Krankenschwestern, der Chefarzt einer psychiatrischen Klinik und eine in der Pharmaindustrie tätige Frau. Wir alle kamen schnell ins Gespräch und fanden einen gemeinsamen Nenner für unsere Vorstellungen einer guten gesundheitlichen Versorgung. Natürlich sprachen wir über Beispiele aus der Schwangerenbetreuung oder der Geburtshilfe, aber auch über die ebenso schlechte Situation in der häuslichen Krankenpflege oder bei der Behandlung psychisch erkrankter Menschen. Die gute Beziehung zum Patienten ist ebenso wie die Menschlichkeit durch ökonomische Faktoren und Überlastung des Gesundheitspersonals in allen Bereichen gefährdet oder gar kaum noch möglich. Unser Gesamtfazit, dass es letztlich immer um eine gute Beziehung zwischen Patient und behandelnder Person geht, hielten wir in Stichpunkten auf ausgeteilten Moderationskarten fest.

Zwischendurch kam Minister Gröhe in unsere Gruppe. Es gab die Gelegenheit, den Versorgungsmangel mit Hebammen anzusprechen. Ich schilderte ihm kurz die Lage in Berlin, die sowohl die Versorgung mit freiberuflichen Hebammen betrifft als auch die Situation in der Klinik. Der tragische Fall, in dem eine Mutter wegen eines überfüllten Kreißsaales nicht aufgenommen wurde und ihr Baby im Zuge dessen verstarb, war dem Minister noch nicht bekannt. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass es immer häufiger vorkommt, dass Schwangere von überbelegten Kreißsälen abgewiesen und weitergeschickt werden. Er wirkte betroffen und schilderte ein paar Beispiele, wie Kliniken versuchen, die Personalsituation zu verbessern, indem sie eine übertarifliche Bezahlung oder Übernahme der Haftpflichtversicherungskosten anbieten. Leider gab es für mich an dieser Stelle nicht mehr die Gelegenheit nachzufragen, ob damit nur bestehende Personallücken „geflickt“ werden sollen oder ob tatsächlich mit einem besseren Personalschlüssel gearbeitet wird.

Wird es in drei Jahren noch Hebammen geben?

Nach einer kurzen Pause ging es an die Präsentation der Gruppenergebnisse. Unser Gruppensprecher, der angehende Gymnasiallehrer, erläuterte die Kernpunkte auf den Moderationskarten. Zum Ende der dreiminütigen Präsentation stellte er noch an Gröhe die Frage, ob es in drei Jahren noch Hebammen geben würde. Beim Bürgerdialog in Krefeld hätte es schon erste Antworten gegeben, die ihn als jungen Vater mit weiterem Kinderwunsch nicht beruhigen würden. Die Frage wurde zunächst auf die anschließende Diskussionsrunde nach den Präsentationen vertagt.

Gröhe antwortet später dem Fragesteller, dass er sicher sei, dass es in drei Jahren garantiert möglich sei, in Deutschland sicher Mutter und Vater zu werden. Und dies zu besseren Bedingungen, als die eigenen Eltern und Großeltern und als 95 Prozent der Bevölkerung auf diesem Planeten. Wenn man dies also als sichere Erwartung hätte, könne man einsortieren, was die Hebammen gerade an „Berufsauseinandersetzung um Haftpflicht“ zu Recht umtreibe. Er sei sehr dafür, beherzt für die Interessen eines Berufstandes zu kämpfen, aber ob wir das in einer Situation tun können, die ihn keine Sekunde daran zweifeln lässt, dass in drei Jahren ein Kind auf die Welt zu bringen fast nirgends auf diesem Planeten so gut möglich und verantwortbar sei wie in diesem Land…

Der letzte, von Gröhe nicht ganz beendete Satz ließ nicht nur unseren Gruppensprecher, sondern auch mich in großer Ratlosigkeit zurück. In keinem Satz der Antwort wurde konkretisiert, dass es in drei Jahren tatsächlich noch Hebammen geben wird.

Deshalb fragte ich bei der Fragerunde noch einmal konkret nach, inwieweit in diese von Gröhe beschriebene zukünftige gute und sichere Betreuung von Schwangeren und Müttern auch Hebammen inkludiert seien. Eine ebenfalls nicht ganz eindeutige Antwort sollte mich zumindest dahingehend beruhigen, dass es in drei Jahren auch noch Hebammen geben würde. Auf das Wie wurde nicht eingegangen. In dem Kontext wurde ausführlicher der aktuelle Verhandlungsstand zwischen Krankenkassen und Hebammenverbänden erläutert und dass es ja letztlich um die Qualität in der Versorgung ginge. Meine Frage war eine von ungefähr fünfzehn ganz unterschiedlich gearteten Fragen zu diversen Themenkomplexen im Gesundheitsbereich. Sie war die einzige Frage zum Thema Hebammen oder Geburtshilfe.

Persönliche Erlebnisse als Entscheidungsgrundlage?

Damit war nach gut zwei Stunden der offizielle Teil der Veranstaltung beendet und es gab einen Empfang mit kaltem Buffet im Foyer des Veranstaltungsraumes. Es wurde mehrfach während der Hauptveranstaltung darauf hingewiesen, dass es in diesem Kontext auch noch Gelegenheit zum persönlichen Gespräch mit dem Gesundheitsminister gäbe.

Da Gröhe sich im Anschluss gleich mit dem eingangs erwähnten Vater über das Hebammenthema unterhielt, gab es für mich thematisch den Anknüpfungspunkt, noch einmal zu erläutern, dass es den Hebammen ebenso um Qualität gehe wie der GKV und allen anderen Beteiligten. Doch die Grundlage für Qualität sollte eine vernünftige Evidenz sein und nicht willkürlich beschlossene Kriterien, die Gesundheitsleistungen inkludieren oder ausschließen.

Auch den Punkt, dass es mitnichten nur um die Hausgeburtshilfe geht, konnte ich an dieser Stelle noch einbringen. Der Minister erzählte mir, dass ein Verwandter von ihm im notärztlichen Bereich arbeite und seine schlimmsten Einsätze abgebrochene Hausgeburten seien. Ich nannte ihm daraufhin ein paar konkrete Bespiele aus der klinischen Geburtshilfe, die ich als sehr gefährlich und schlimm erlebt habe. Und ergänzte, dass weder meine persönlichen noch seine (nur über Erzählungen erlebten) Erfahrungen eine Entscheidungsgrundlage über das Wohl und die Sicherheit für schwangere Frauen und Mütter sein dürfe. Dafür braucht es immer einen objektiven und belegbaren Blick auf die Situation. Während dieses knapp zehnminütigen Gespräches versuchte der persönliche Referent des Ministers, Roland Jopp, immer wieder zu signalisieren, dass das Gespräch nun beendet werden müsse. Der Minister signalisierte aber gleichzeitig, dass er noch etwas dazu sagen wolle und beendete seine Sätze entsprechend.

Warum ich das bisher alles so ausführlich beschreibe? Nun, weil dann vielleicht klar wird, wie verstörend und für mich immer noch unfassbar das darauf folgende Szenario war.

Beschimpfungen am Buffet

Als das kurze Nachgespräch mit Minister Gröhe vorüber war, stürmte ein ganz offensichtlich sehr erboster Roland Jopp auf unsere an einem Tisch stehende Gruppe zu, die aus dem jungen Lehrer, der Psychologin und mir bestand. Ohne jemanden konkret anzureden, beschimpfte Jopp einfach die gesamte Gruppe. Einer seiner wohl auch an mich adressierten, scharf formulierten Kritikpunkte war, dass wir mit dem Thema Hebammen viel zu viel Raum eingenommen hätten und sich die anderen Mitglieder unserer Gruppe sogar beschwert hätten. Auf meine mehrfache Nachfrage, wer sich denn konkret worüber beschwert habe, gab er irgendwann zu, dass dies seine Beobachtung gewesen sei. Demnach gab es also gar keine Beschwerde.

Mehrfach bedrohte er uns damit, dass rechtliche Schritte gegen uns eingeleitet werden würden, weil wir Informationen aus dem Tags zuvor statt gefundenen Bürgerdialog weitergetragen hätten. Auch ich hatte von einer in Krefeld anwesenden Kollegin am vorherigen Abend erste Eindrücke mitgeteilt bekommen. An keinem Punkt der Veranstaltung ist ihr oder uns mitgeteilt worden, dass die in Krefeld und Berlin gesagten Dinge nicht nach außen getragen werden dürften. Ganz im Gegenteil mussten alle Teilnehmer sogar eine Einverständniserklärung unterschreiben, dass im Namen des Bundesgesundheitsministeriums auch fotografiert und gefilmt werden dürfe. Weder schriftlich noch mündlich wurde zudem verboten, selbst Aufnahmen zu machen oder Stichpunkte mitzuschreiben. Diese Androhung erschien mir somit zwar absurd, wirkte aber in diesem Kontext doch im Versuch einschüchternd und extrem verstörend auf mich.

War das tatsächlich der gleiche Mitarbeiter aus dem Büro des Gesundheitsministers, der mir noch kurz zuvor freundlich folgendes mailte?

Sehr geehrte Frau Gaca,

vielen Dank für Ihr Interesse am Bürgerdialog der Bundesregierung in Berlin.
Ihre persönliche Einladung von Gesundheitsminister Hermann Gröhe finden Sie im Anhang. Sie sind ganz herzlich eingeladen, wir freuen uns auf Ihr Kommen.

Mit freundlichen Grüßen
I.A.

Dr. Roland Jopp
_____________________________________
Bundesministerium für Gesundheit
Büro des Ministers

Weiterhin warf uns Roland Jopp vor, dass wir mit unserem Verhalten den Hebammen schaden würden und uns immer unangenehm in den Mittelpunkt drängen würden. Außerdem hätten wir den anderen Bürgern keine Chance gegeben, auch mit dem Minister zu sprechen. Ich machte ihn mehrfach darauf aufmerksam, dass ich einfach als Bürgerin gekommen sei und alle von ihm gerade beschimpften Personen heute Abend zum ersten Mal getroffen habe, als er uns erneut als eine Art Gruppe von Störenfrieden bezeichnete, die mit dem Plan gekommen sei, eine ganze Veranstaltung mit einem persönlichen Anliegen zu sprengen.

Der wirklich sehr erregte und in einem sehr aggressiven Tonfall mit uns sprechende Referent des Gesundheitsministers beantworte meine mehrfache Nachfrage nach dem Grund seiner gegen mich gerichteten Beschimpfungen zu keinem Zeitpunkt konkret. Ebenso wurde nicht darauf eingegangen, als ich ihn mehrfach darauf hinwies, dass wir zu Beginn des Dialogs sogar noch mal nachgefragt hatten, ob und wo wir unser Thema einbringen können. Auch wenn ich an dieser Stelle nur für mich spreche, lässt sich wohl auch für die beiden anderen verbal angegangenen Personen sagen, dass wir an keiner Stelle die Form der Veranstaltung nicht eingehalten oder uns sonst irgendwie unangemessen verhalten hätten. So entstand in mir schon der Eindruck, dass da mal jemand – deutlich genervt von dem scheinbar nicht lösbaren Hebammenthema – einfach seinem Ärger Luft machen wollte…

Eine Entschuldigung, keine Erklärung

Ich bin nach wie vor schockiert über diesen unangemessenen Verbalangriff einer Amtsperson bei einer Veranstaltung, die sich „Bürgerdialog“ nennt und zu der ich als Bürgerin eingeladen wurde. Anscheinend besteht kein wirkliches Interesse an einem Dialog, wenn nicht mal im Rahmen der kurzen möglichen Redezeit gewünscht ist, dass man die Punkte einbringt, die einen als Bürger gerade akut betreffen. Dem einladenden und mich später beschimpfenden Roland Jopp war durch die Anmeldung bekannt, dass ich Hebamme bin. Es war also mehr als naheliegend, dass wahrscheinlich dazu auch Gesprächsbedarf für mich als Bürgerin zu diesem Thema bestehen wird.

Die bei „Motherhood“ sehr engagierte Journalistin Michaela Skott hat am Tag nach der Veranstaltung mit einer Pressesprecherin des Ministers telefoniert, die ebenfalls bei der Veranstaltung anwesend war. Sie hat ihr bestätigt, dass das Thema Hebammen wahrlich nicht an erster Stelle stand und beim Bürgerdialog in Krefeld wesentlich präsenter gewesen sei.

Am darauf folgenden Tag ließ sie uns drei Teilnehmern nach einem längeren Gespräch mit Roland Jopp dessen Entschuldigung für sein Verhalten ausrichten. Es wurde unter anderem auch mit dem Stress begründet, den die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltungen verursacht hatte. Unser Angebot, die Situation noch einmal in einem persönliche Gespräch zu klären, wurde leider nicht wahrgenommen. Somit kann ich für mich persönlich nur den Ablauf des Abends hier schildern, ohne wirklich die tatsächliche Beweggründe hinter diesem für mich nicht nachvollziehbaren Verhalten zu kennen. Was eine Entschuldigung aus zweiter Hand wert, darf an dieser Stelle jeder selbst bewerten.

Politisches Aussitzen, bis die Lage kollabiert

Ein paar Wochen nach dem Bürgerdialog kam ein Dankschreiben von Minister Gröhe, in dem er unter anderem auch aufzählte, was er persönlich aus dem Dialog mitgenommen habe. Dazu gab es auch ein Video mit Eindrücken der Veranstaltung. An keiner einzigen Stelle wurde das Thema Geburtshilfe, Schwangerschaft oder Hebamme mit auch nur einer Silbe erwähnt. Anscheinend war das angeblich dominierende Einbringen unseres Themas, für das wir uns sogar beschimpfen lassen mussten, wohl doch nicht so eindrücklich. Oder es war schlicht und einfach nicht gewollt.

Eine ähnlicher Umgang mit relevanten Gesundheitsthemen lässt sich hier in Berlin gerade am Landesamt für Gesundheit und Soziales beobachten. Die humanitäre und medizinische Versorgung der hier ankommenden Flüchtlinge ist mehr als unzureichend und wird seit Wochen nur durch den enormen Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer überhaupt ermöglicht. Auch Hebammen und Ärzte arbeiten hier in ihrer Freizeit und ohne Bezahlung, während politisch die Kritik an der schlechten humanitären und medizinischen Lage zurückgewiesen wird. Doch auch gestern war wieder sehr treffend in der Presse zu lesen, dass das Lageso praktisch kollabiert ist.

Auch die sichere und gute Versorgung rund um das Thema Geburt ist in Deutschland längst kollabiert, wenn auch sich die Auswirkungen sicherlich in der Breite erst langfristig bemerkbar machen werden. Solange schaut man dann halt einfach nicht hin und spricht am besten nicht mehr darüber. Denn sonst müsste man ja vielleicht handeln…

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Kommentare

20 Antworten zu „Über Hebammen wird nicht geredet!“

  1. G
    Gabriele

    Hallo, bin wegen des Themas „Kaiserschnitt – eine Narbe fürs Leben“ und einer Horrorgeburt vor 34 Jahren, in der man mir meinen Sohn entbunden hat, auf diese Seite gestossen. Ich weiß also sehr gut, was es bedeutet, wenn man zum Klinikstandard wird.

    Damals begann das „Sicherheitsbedürfnis“ der Ärzte und die KH-Vorschriften zur akzeptablen Länge von Geburten.

    Ich habe gerade in einem Thread ein unglaubliches bashing von Frauen auf ELTERN.DE erlebt, weil ich dort meine Geschichte erzählte und genau diese problematischen Zustände und schlechten Bedingungen für die Hebammen in Deutschland anprangerte. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich die Mehrheit von Deutschlands Frauen nichts sehnlicher wünschen, als schnell, sicher und termingerecht und in 2 Stunden vor dem Abendessen ihr Kind entbunden zu bekommen. GottseiDank bin ich nicht mehr in einem gebärfähigen Alter… Ich wünsche Ihnen alles Gute bei Ihrem Kampf …

  2. M
    martina

    Na, dann wissen wir ja jetzt, warum der Gröhe gegen Hausgeburten ist … weil sein Bekannter, der Notarzt, schon so viele schlimme abgebrochene Hausgeburten erlebt hat. Die ganzen Fälle, in denen alles gut läuft, kriegt er natürlich nicht mit. Notärzte sind ja selten Geburtsmediziner, da kann ich es schon verstehen, dass der Notarzt diese Fälle nicht gerne hat. Trotzdem ist das dann eine pauschale Vorverurteilung der Hausgeburten. Da bleibt nur die Hoffnung, dass der Berufsstand irgendwie bis in die Zeit nach Gröhe überlebt, denn für mich klingt das, als ob der Gröhe sich seine Meinung schon fest gebildet hat. Er ist sozusagen persönlich betroffen durch seinen Bekannten und nicht objektiv.
    Dass wir unsere Kinder zu besseren Bedingungen kriegen können als noch unsere Eltern, sehe ich ganz anders. In den letzten 20 Jahren hat sich die Kaiserschnittrate verdoppelt, ohne dass dadurch mehr Kinder “gerettet“ würden. Heutzutage kriegt man wegen jeder Kleinigkeit einen Kaiserschnitt, auch wenn es nicht notwendig ist. Auch ich bin wegen pathologischem CTG im OP gelandet, doch zu dem Zeitpunkt war das CTG wieder in Ordnung, was ich natürlich erst erfahren habe, als ich später das CTG angefordert habe. Auf meine Frage, warum ich dann trotzdem in den OP musste, sagte man mir, wir können uns nicht ständig umentscheiden! Im Klartext, im Krankenhaus werden Frauen auch ohne Grund aufgeschnitten, aus Organisations- und Zeitgründen, wobei die Frauen im Glauben gelassen werden, es sei notwendig. Als meine Mutter in den 70ern ihre Kinder bekam, war der Kaiserschnitt noch eine OP mit Risiken, die wurde nur gemacht, wenn es ernstere Komplikationen gab. Nicht wie heute, wo es Routine ist und vorschnell der Kaiserschnitt indiziert wird.
    Es war für mich auch eine richtige Horrorgeburt. Ich habe schon überlegt, ob ein geplanter Kaiserschnitt in einem anthroposophischen Krankenhaus nicht die beste Lösung für mich wäre, sollte ich es jemals wieder wagen eine Geburt auf mich zukommen zu lassen. Obwohl ich ja doch am liebsten eine Hausgeburt hätte … aber wenn ich die dann abbrechen müsste wegen Komplikationen? Dann müsste ich ins nächstgelegene Krankenhaus, und dann machen die mit mir, was für die am Einfachsten ist, ohne Rücksicht auf Körper, Würde und Gefühle von mir. Wenn ich aber ganz sicher gehen will, so was nicht noch mal zu erleben, dann muss ich einfach auf weitere Kinder verzichten.
    Mir hat man mein Baby direkt nach der Geburt gar nicht gezeigt, nicht mal ein paar Sekunden, es wurde gleich raus getragen. Es kam dann zwar noch im OP wieder, aber ganz fest in ein Handtuch gewickelt … das war nicht das Kind, das ich geboren hatte, aber ich hatte ja auch kein Kind geboren, die Ärzte haben die Geburt gemacht, sie haben das Baby aus mir rausgerissen und es mir dann vorenthalten.
    Das Krankenhaus ist leider oft ein sehr gefährlicher Ort für Mutter und Baby. Jedes Mal, wenn eine Gebärende ohne medizinischen Grund aufgeschnitten wird, ist das Körperverletzung. Im normalen Leben wäre das ein Verbrechen, im Krankenhaus ist das Alltag und normal.

  3. J

    Ich bin immer wieder schockiert wenn ich solche Dinge lese und ich lese sie nun seit Jahren und es wird immer schlimmer…. ich bin Berlinerin, 34 und plane eigentlich unser 1. Kind. Die Angst die mich beim lesen der Hebammendiskussion immer wieder überfällt ist kaum zu beschreiben. Ich habe niemanden, weder Eltern noch Großeltern. Ich und mein Mann sind alleine…ich dazu mit eigenere Firma auch noch selbstständig.
    Von Bekannten weiß ich das es ja fast schon Glück ist noch eine Hebamme für Vor- und vor allem Nachsorge zu kriegen. Von Wahlfreiheit wollen wir gar nicht anfangen, man nimmt halt was man kriegen kann bevor man niemanden hat.

    Ja ich habe Angst, sehr und es beeinflusst meine Entscheidung (neben meiner eigenen selbständigen Lage) Kinder zu kriegen so sehr, das ich sogar dazu tendiere eben keine zu kriegen. Weil ich Angst um mich und die ungeborenen Kinder habe.

    Und es ist mir egal ob wir Frauen hier in Deutschland und besseren Bedingungen gebären dürfen als der Rest der Welt. Es gab bereits einen guten Status Quo und es ist dem Bund nicht Wert diesen zu erhalten. Es ist Familien- und Frauenfeindlich… und am Ende wundert man sich warum wir keiner mehr Kinder kriegen will.

    Liebe Grüße und DANKE DANKE DANKE für deine Arbeit und deinen Mut
    Janine

  4. S
    Stephie

    Ich habe immer mehr Angst davor, ein zweites Kind zu bekommen (ich wollte immer schon zwei oder drei Kinder). Mein erstes Kind bekam ich fast schon gezwungenermaßen im Klinikum, da es hier im Umkreis von vier (!) Landkreisen nur noch ein einziges Geburtshaus gibt, das in meiner Stadt hat kurz vor meiner ersten Schwangerschaft die Geburtsbegleitung eingestellt und bietet nun nur noch Vor- und Nachsorge sowie verschiedene Kurse an. Vor einer Hausgeburt hatte irrationalerweise zuviel Angst.
    Die Geburt in diesem Klinikum lief für mich gefühlt katastrophal, beginnend mit der Einleitung, die man mir an ET +9 praktisch aufnötigen wollte, welche ich aber noch zwei Tage aufschieben konnte. Während der Einleitung begann ein CTG-Marathon, bei welchen sich „Kurzzeit-CTGs“ von 15 Minuten regelmäßig zu 2 Stunden CTGs auswuchsen.
    Bewegen war währenddessen natürlich nicht drin, setzte ich mich doch irgendwann auf, weil meine Hüfte durch den Bauch und die harte Liege wehtat, musste ich noch länger dran bleiben (schmerzende Hüfte, volle Blase, Wehen – alles egal). Irgendwann bekam ich ein Schmerzmittel aufgenötigt (Meptid, man teilte mir allerdings nicht mit, dass es sich hier um ein Opiat handelt), welches die Herztöne meines Sohnes in den Keller gehen ließen. Ich verbrachte also eine ganze Nacht bewegungslos am CTG.
    24 Stunden nach platzen der Fruchtblase war mein Muttermund (meiner Meinung nach bedingt durch die Bewegungslosigkeit und den emotionalen Stress, dem ich ich mich ausgesetzt fühlte) gerade mal 1cm offen und recht fest. Der Chefarzt (dieses gynäkologische Genie) war jedoch der Überzeugung, dass die mangelnde Bewegung auf gar keinen Fall der Grund sein kann.
    Das Ende vom Lied war ein Kaiserschnitt, den ich noch immer nicht ganz verweunden habe (zumal man mir meinen Sohn nur kurz zeigte und ihn danach direkt raus trug – ich konnte ihn nichtmal anfassen, sondern bekam ihn 40 Minuten später sauber und angezogen präsentiert).

    Mit dieser Geschichte als Hintergrund würde ich ein eventuelles zweites Kind lieber Zuhause oder im Geburtshaus bekommen. Allein der Gedanke, ein weiteres Mal im Klinikum entbunden zu werden (den gebären durfte ich meinem Gefühl nach nicht), löst eine tiefgreifende Angst in mir aus. Doch wenn ich mir ansehe, was Politik und Krankenkassen momentan mit dem ganzen System der Geburtshilfe veranstalten (oder besser gesagt nicht veranstalten, denn es wird ja gefühlt nichts getan), dann weiß ich nicht, ob ich der Geburt eines weiteren Kindes sorgenfrei entgegen sehen könnte.

  5. A
    An

    Liebe Anja,
    Danke für Deine kluge und engagierte Arbeit! Hast Du eine Idee, wie wir Dich unterstützen können? Gewählt haben die meisten von uns Gröhe oder seine Partei ja nicht. Was hilft? Briefe besorgter Bürgerinnen an den GKV? Ans Gesundheitsministerium? Oder was?
    Vielen Dank nochmal!

    1. C
      Caroline

      Liebe Frauen, Mütter, Schwangere und die, die es werden wollen – engagiert Euch!
      Es gibt eine Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter & Kind während Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr, Mother Hood e.V., im Netz zu finden unter http://www.mother-hood.de.
      Es gibt bereits jetzt schon viele regionale Ortsgruppen, die einiges auf die Beine stellen.
      Liebe Grüße Caroline

  6. R
    Rachel

    Einfach unfassbar! Wenn man seine Meinung und kritische Fragen noch nicht mal mehr in einem Bürgerdialog äußern darf wo dann sonst? Das ihr keine konkreten Antworten bekommen habt, wundert einen traurigerweise gar nicht mehr. Aber das ihr dann so unhöflich behandelt wurdet, finde ich unverschämt. Beschämend das Deutschland von solchen Leuten regiert wird. Es ist einfach nur traurig und macht mich sehr wütend!

  7. S
    Stefanie

    Echt traurig, wenn eine Veranstaltung mit dem Titel: „Gut leben…“ so endet. Danke, dass du dort warst und ich hoffe, dass die Ganze Aktion trotzdem etwas bewirkt hat.

  8. A
    Angela

    Bitte bitte bitte lasst euch nicht unterkriegen!! Bei uns in Österreich ist die Situation zwar noch vergleichsweise luxusmäßig, aber die schlechten Ideen setzen sich ja leider oft durch, und es ist zu befürchten, dass das Dilemma irgendwann überschwappt. Hoffentlich bin ich zu diesem Zeitpunkt dann zwar schon fertig mit Kinderkriegen, aber es betrifft ja uns alle, denn – um den vielzitierten Spruch zu bemühen: „Die Fortschrittlichkeit und Zukunftsfähigkeit eines Landes lässt sich daran messen, wie es mit Geburten umgeht.“ Und die Babys, die in nächster Zeit bei der Geburt nicht angemessen betreut werden, die regieren uns dann in 30, 40 Jahren….
    Ansonsten kann ich den bisherigen Kommentaren nur zustimmen.

  9. F
    Fleder

    Mir wird immer mehr Angst und bang. Ich bin mittlerweile in einem Alter in dem ich mich gern konkret an die Familienplanung machen würde. Aber so wie die Lage ist und vor allem wie die Aussichten sind, hab ich nahezu panische Angst davor, mich auf dieses ‚Abenteuer‘ einzulassen… Wo soll das hinführen?

  10. V
    Verena Gattke

    Das erschreckende ist die Ignoranz mit der die Unterversorgung der Frauen im häuslichen wie klinischen Bereich unter den Teppich gekehrt wird

  11. C
    Cordt

    Hallo!
    Anja, wenn ich dich nicht im Video gesehen hätte, müsste man meinen, es wäre gar keine Hebamme da gewesen. Das ist fast lustig, wenn es nicht traurig wäre.
    Ich mutmaße, dass Herr Dr Roland Kopp das Video noch den Abend selbst produziert hat und somit seine Meinung in Film und Ton verpackt hat.
    Für Außenstehende sieht das Video übrigens sicher schön und mit guter Stimmung aus.
    Das ist ein schönes Werbevideo für Herrn Gröhe…..
    Danke für deine Mühen, die Präsenz und Transparenz der Arbeit des Ministeriums.
    Daumen für das Zukunftsgefühl ganz weit runter, wobei ich noch immer voller Hoffnung für das Handwerk bin!
    Grüße aus Börry
    Cordt, als Mann der Hebamme Esther Schünemann

  12. M
    Maike Nahrwold

    Ich kann gar nicht beschreiben, wie unglaublich wütend ich bin. Die Krankenkassen und die Politik schaffen die freiberuflichen Hebammen ab. Aussitzen als politische Taktik. Nur das wir einfach nicht ruhig sein wollen, wir renitenten Hebammen!

  13. D
    Denise Bella

    Traurig. Ist es nun endlich soweit, dass diese weibliche Domaine abgeschafft wird – wird ja schon seit dem Mittelalter versucht.

  14. K

    Dazu fällt mir jetzt einfach nichts mehr ein.

    Beschämend ist dieses Verhalten. Bürgerdialog – welch zynischer Titel so einer Veranstaltung.

  15. A

    Ich bin sprachlos und finde es erschreckend, wie mit euch umgegangen wurde!

  16. D
    Dana

    Kann, nein, ich will s nicht glauben!

  17. N
    Nadine

    erschreckend…. ich verstehe nach wie vor nicht, wer so ein starkes Interesse daran haben muss, die Hebammen zu boykottieren….

  18. R
    Ruth Pinno

    Was nicht sein darf, das nicht sein kann.
    Oder auch: It’s not a bug, it’s a feature.

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