Auch wenn der Großteil der Kinder bereits im Babyalter abgestillt ist, stillen einige Kinder auch noch jenseits des ersten Geburtstages. Gerne auch in der Nacht. Weil sie Durst haben, weil sie Nähe brauchen oder einfach, weil es ein lieb gewonnenes Ritual ist, beim nächtlichen Aufwachen wieder mittels ein paar Schlückchen Muttermilch in den Schlaf zu finden. Ernährungsphysiologisch brauchen die Kinder das natürlich nicht mehr dringend, und auch wir Eltern würden ohne das Glas Wasser oder manchmal auch das Stückchen Schokolade in der Nacht nicht verdursten oder verhungern. Dennoch ist es völlig in Ordnung, ein größeres Kind in der Nacht weiterhin zu stillen, vor allem, weil es meist die schnellste Option ist, dass das Kind wieder in den Schlaf findet.
Trotzdem ist für viele Mütter irgendwann zwischen dem ersten oder zweiten, vielleicht auch dritten Geburtstag ein Punkt erreicht, an dem sie keine Lust mehr auf durchs Stillen unterbrochene Nächte haben. Tagsüber hat sich bei vielen Kindern dann das Stillen schon sehr reduziert, aber nachts ist zweistündliches oder häufigeres Erwachen des Kindes mit Stillwunsch nicht ungewöhnlich. Dass die Nächte nach dem Abstillen nicht anders unterbrochen sein werden, ist nicht garantiert. Aber zumindest ist es nach dem nächtlichen Abstillen für die Väter oft leichter, das Kleinkind zurück in den Schlaf zu begleiten.
Wenn also eine Mutter den Wunsch hat, nachts abzustillen, darf sie das natürlich tun. Auch wenn das Kind vielleicht nicht mit Begeisterung reagieren wird. Ja, manche Kleinkinder stillen sich auch nach und nach selbst ab in der Nacht und auch am Tag. Aber sehr viele auch nicht – zumindest nicht zu dem Zeitpunkt, wo die jeweilige Mutter den Wunsch hat, das Stillen deutlich zu reduzieren oder abzustillen.
Individuelle Stillzeit, individuelle Abstillwege
Wenn sich etwas nicht mehr gut und passend für jemanden anfühlt, ist es immer ein guter Anschubser, etwas an einer Situation zu ändern. Und zu ändern heißt sich zu überlegen, was für einen persönlich passt und nicht mit schlechtem Gewissen irgendwelche Empfehlungen zu lesen, die sagen, dass die WHO eine Gesamtstilldauer von 24 Monaten empfiehlt.
Kurioserweise sind die ohnehin schon viel länger stillenden Mütter viel häufiger von einem schlechten Gewissen geplagt, als jene, die nach den derzeit in Deutschland üblichen rund sieben Monaten ihr Kind abstillen. Und manchmal würde ich mir für die Langzeitstillenden ein bisschen mehr von der Klarheit der Erstgenannten wünschen. Nämlich dann, wenn ich das Gefühl habe, dass es der Mutter nicht mehr gut damit geht und sie nur noch dem Kind zuliebe das nächtliche Stillen „erträgt“.
Nächtliches Abstillen jenseits der Babyzeit ist also völlig in Ordnung. Diese Erkenntnis ist wohl die wichtigste Voraussetzung, um das Ganze in die Praxis umzusetzen. Es ist gut, dem Kind mitzuteilen, was man ändern möchte. Denn die Empfehlung, einfach ohne Kind mal ein paar Tage zu verreisen, ist sicherlich kein guter Abstillweg. Denn damit verschwindet nicht nur das vertraute (Wieder-) Einschlafritual, sondern auch die ganze Mama auf allen Ebenen. Dies ist auch für die Mütter kein schönes Ende der nächtlichen oder gesamten Stillzeit. Das Risiko eines Milchstaus durch das abrupte Beenden und die hohe emotionale Belastung ist zusätzlich gegeben.
Abstillempfehlungen, die sich bewährt haben
Darum an dieser Stelle ein paar Abstillempfehlungen, die sich sowohl in der Stillberatung als auch in meinen eigenen Stillzeiten bewährt haben. Jede Mutter darf sich zu jedem Zeitpunkt das daraus mitnehmen, was passt. Dinge können genauso verändert oder auch mal rückgängig gemacht werden, wenn es sich nicht passend anfühlt. Es gibt keine Universal-Abstillvariante. Der allmähliche Abschied von der gemeinsamen Stillzeit ist für jede Mutter und jedes Kind genauso individuell wie das Stillen selbst.
- Wenn der innere, nächtliche Abstillwunsch da und gefestigt ist, ist es sinnvoll, dem Kind das Vorhaben mitzuteilen. Es sollte wissen, wann und warum sich liebgewonnene Routinen ändern.
- Es kann hilfreich sein, einen konkreteren Zeitraum festzulegen, in dem nicht mehr gestillt wird. Zum Bespiel zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens. Der Zeitraum kann auch nach und nach erweitert werden. Diese zeitlichen „Absprachen“ können auch am Tag hilfreich sein, wenn Stillzeiten reduziert werden sollen. Ein „Wir stillen vor dem Mittagsschlaf oder wenn ich dich aus der Kita abgeholt habe“ hilft dem Kleinkind, trotz Veränderung eine Verlässlichkeit zu finden.
- Erfahrungsgemäß wird das Kind in den ersten Nächten wahrscheinlich (auch etwas lauter) protestieren, wenn nun nicht mehr zum Wiedereinschlafen gestillt werden soll. Schon sprechende Kinder hauen einem auch gerne ein „Doofe Mama“ um die Ohren. Da der Vater nicht so mit dem Stillen assoziiert ist und auch nicht nach Muttermilch riecht, klappt das Beruhigen ohne Brust oft bei ihm besser. Wichtig ist, dass Kind in seinem Kummer ernst zu nehmen und es dabei zu begleiten. Und trotzdem darf man gleichzeitig innerlich sicher sein, dass es die richtige und damit eine gute Entscheidung ist.
- Das alternative nächtliche Beruhigungsprogramm sollte nicht zu aufwendig werden. Denn es soll ja auch nach dem nächtlichen Abstillen beibehalten werden. Mit dem Kind auf dem Arm herumzulaufen, ist kein guter Tausch im Vergleich zum nächtlichen Stillen. Viel Nähe und Körperkontakt, Streicheln, Händchen halten und Summen kann dem Kind helfen, sich wieder zu entspannen und weiterzuschlafen. Aber auch hier gibt es keine Pauschalempfehlungen. Alle Eltern wissen selbst am besten, was ihrem Kind gut tut. Meinem Söhnchen war es wichtig, sich mit einer Hand an meinem Halsausschnitt festzuhalten. Das ist völlig okay für mich. Das allerdings bei vielen Stillkindern beliebte „Brustwarzen zwirbeln“ kann ich persönlich gar nicht aushalten.
- Wenn das Kind einen Schnuller benutzt, kann natürlich auch dieser maßvoll weiterverwendet werden.
- Es kann auch sein, dass das Kind tatsächlich Durst hat und deshalb Wasser angeboten bekommt. Auch richtiger Hunger ist möglich, wenn die Tage vielleicht gerade viel zu aufregend sind, um ausreichend zu essen. Um nachts nicht in der Küche zu stehen, ist es langfristig sinnvoll zu schauen, ob das wuselige Kleinkind am Tage genug isst, damit es nachts nicht durch Hunger aufzuwachen.
- Wenn das Kind schon richtig wach ist, kann man wie beim Abstillen tagsüber auch versuchen, es mit etwas anderem abzulenken. Ein Buch anschauen oder das Kuscheltier gemeinsam zudecken und in den Schlaf begleiten etwa.
- Es ist in der ersten Zeit sinnvoll, sich so zu kleiden, dass das Kind nicht so leicht an die Brust heran kommt. Ein großzügiger Ausschnitt, der ihm die Milchquelle beim Kuscheln direkt vor die Nase hält, kann den „Abstillfrust“ eher etwas verstärken.
- Es ist auch beim Abstillen okay, flexibel zu sein. Zum Beispiel, wenn das Kind krank ist und „Muttermilch als Therapie“ eingesetzt wird. Wenn das Kind dann wieder gesund ist, macht man einfach mit seinen Plänen wie bisher weiter.
- Auch festzustellen, dass der Zeitpunkt doch noch nicht passt, ist völlig in Ordnung. Es ist kein Zeichen von Inkonsequenz. Wichtig ist auch, dass der Partner das versteht. Ein „Du weisst doch gar nicht, was Du willst“ ist keine Unterstützung im Abstillprozess.
- Eventuell kommt auch ein Punkt, an dem das Abstillen plötzlich dringlicher für einen wird. Manchen Müttern machen beim Eintritt einer erneuten Schwangerschaft die wieder empfindlicheren Brustwarzen zu schaffen. Auch wenn ein Weiterstillen in der Schwangerschaft generell kein Problem ist, sollte man gut darauf achten, was für einen selbst passt.
- Und auch beim schnelleren Abstillen gilt es zu akzeptieren, dass das Kind es vielleicht nicht gut findet und ein bisschen darum trauert. Solange es mit seinem „Brustabschiedsschmerz“ nicht alleine gelassen wird, darf das auch so sein. Als Mutter wird es einem ähnlich gehen.
- Gleichzeitig eröffnet das Ende der Stillzeit auch wieder Raum für Neues. Und der Aspekt, dass es der Mutter besser gehen wird, wenn sie nachts oder generell weniger oder gar nicht mehr stillt, ist sehr wichtig. Denn dem Kind geht es immer nur so gut wie seinen Eltern. Mehr Schlaf in der Nacht könnte auch mehr Energie am Tag für Erlebnisse mit dem Kind bedeuten. Was auch immer die persönlichen Gründe für weniger Stillen oder das Abstillen sind: Sie sind richtig und wichtig. Deshalb sollte man sich da auch von niemandem reinreden lassen.
Und: Für die Beziehung zu unseren Kinder ist weder die Menge der gebildeten Muttermilch noch die Dauer der Stillzeit maßgeblich. Sondern dass wir als Mütter (und Väter) verlässlich mit offenen Armen für sie da sind – in jeder Lebensphase.
Schreibe einen Kommentar