Ich hatte bereits darüber geschrieben, dass oft in der Extremsituation Frühgeburt das Wochenbett fast komplett wegfällt. Und gerade wieder erlebe ich dies bei einer betreuten Mutter, deren Zwillinge viele Wochen zu früh kamen. Da es bereits ein Kleinkind in der Familie gibt, ist die Mutter als Begleitperson für die Babys in der Kinderklinik aufgenommen. Derweil organisiert der Vater das restliche Leben und pendelt zwischen Klinik und zu Hause hin und her.
Eine Kinderintensivstation ist kein guter Ort für ein entspanntes Wochenbett. Natürlich ist sie ein guter Ort, um frühgeborenen und kranken Kindern zu helfen. Aber der Fokus liegt ganz klar auf dem Wohl der Kinder. Und in der Klinik der oben genannten Familie zum Glück auch sehr auf der Eltern-Kind-Bindung. Doch die körperlichen und vor allem die seelischen Aspekte des Wochenbettes haben auch hier wenig Raum.
Vor allem haben die Mütter keine Zeit. Zwischen Abpumpen und Arztgesprächen gibt es natürlich die schönen Momente, in denen mit dem Baby gekuschelt werden darf. Doch selbst ein schnelles Duschen oder das kalte Klinikessen runterschlingen kommt oft zu kurz. Die Mütter kümmern sich um ihre Kinder, aber kaum um sich selbst. Wie auch? Und wann? Das immer vorhandene Heimweh ist groß, gerade wenn zu Hause schon ältere Geschwister warten…
Ich versuche beim Wochenbettbesuch in der Kinderklinik all diesen Gefühlen etwas Raum zu geben, aber es ist wirklich viel, was Eltern da in den ersten Wochen verkraften müssen. Denn meist ist nicht nur dass Geburtserlebnis komplett anders als geplant, sondern halt auch das Wochenbett. Die Zeit, in der der Körper sich regeneriert und die Milchbildung sich einspielt. Vor allem ist es aber auch die Zeit, in der die Familie zueinander findet – Eltern und Kind sich ineinander „verlieben“.
Rebonding durch Baby-Heilbad
Dafür braucht es eigentlich einen geschützten Rahmen und nicht die sterile Atmosphäre und fehlende Intimität einer Kinderintensivstation. Eltern von kranken oder frühgeborenen Kindern finden natürlich auch in diesem Setting ihre kleinen persönlichen und wundervollen Wochenbettmomente, aber bei vielen besteht hinterher Nachholbedarf. Und nicht alles, aber vieles lässt sich auch zu Hause nachholen.
Ein schöner Start für ein nachgeholtes häusliches Wochenbett ist das Baderitual, was ich oft mit Eltern nach einem schweren Start durchführe. Die Hebamme Brigitte Renate Meissner hat es als heilsames Bad für Mütter und Kinder nach emotional und körperlich belasteten Schwangerschaften oder Geburten entwickelt. Dieses Bad in entspannter, warmer und ruhiger Atmosphäre kann die Mutter entweder selbst mit ihrem Baby in der großen Badewanne durchführen.
Oder eine Begleitperson, zum Beispiel der Partner oder die Hebamme, badet das Kind in einer kleinen Wanne oder einem Badeeimer neben dem Bett, in dem die Mutter es sich schon richtig gemütlich gemacht hat. Das nicht abgetrocknete, noch nasse Baby wird im direkten Hautkontakt auf den bloßen Oberkörper seiner Mama gelegt. Beide werden mit einem warmen Handtuch zugedeckt.
Das Wochenbett nachholen
Nun darf gekuschelt, gestillt oder vielleicht auch geweint werden über die schwere erste Zeit. Es ist ausreichend Zeit und ein geschützter Raum für alle Emotionen da. Natürlich darf auch der Partner entsprechend mit einbezogen werden. Dieses warme, nasse Baby in engem Hautkontakt zu spüren unterstützt den seelische Heilungsprozess bei Mutter und Kind. Dieses Baderitual kann auch mehrmals wiederholt werden.
Doch nicht nur das vielleicht bei der Geburt verpasste Bonding, sondern die ganze Wochenbettzeit sollte etwas nachgeholt werden. Das heißt also auch, wenn die Kinder nun schon ein paar Wochen alt sind, dass Besuch nur in der richtigen Dosierung kommen sollte. Dass die Eltern sich am besten bekochen oder auch mal mit Essen beliefern lassen, es sich gut gehen lassen und ihre Babyflitterwochen nicht allzu schnell in den normalen Alltag übergehen.
Wenn all dies mit dem schon aufgebrauchten Urlaub oder einer anders geplanten Elternzeit des Partners kollidiert, sollte man überlegen, wer noch in dieser ersten Zeit daheim die Familie unterstützen kann. Das können die Familie, gute Freunde oder vielleicht auch eine Mütterpflegerin sein. Wichtig ist, dass es als tatsächlich Hilfe und nicht als zusätzliche Belastung gesehen wird.
Eltern im „Funktionier-Modus“
Leider unterscheidet die Hebammengebührenordnung nicht zwischen der Betreuung von am Termin und zu früh geborenen Kindern. Doch mit einer ärztlichen Anordnung ist es kein Problem, die Wochenbettbetreuung auch über die üblichen acht Wochen hinaus zu verlängern. Denn gerade, wenn die Eltern dann aus der Kinderklinik nach Hause kommen, sind anfangs noch oft viele Fragen offen. Da viele Eltern in der Klinikzeit im „Funktionier-Modus“ sind, ist oft auch erst zu Hause wirklich Zeit, das Erlebte zu besprechen und zu verarbeiten. Vielleicht braucht es dafür auch noch etwas mehr Hilfe, so dass die Hebamme an entsprechende Unterstützer weiterleiten kann.
Die Geburt eines Kindes ist immer ein ganz besonderer Moment im Leben. Für das Kind, aber auch für die Eltern. Die Übergangsphase zwischen diesem Augenblick und dem normalen Familienalltag ist das Wochenbett. Und Übergangsphasen haben eine wichtige Bedeutung, weshalb sie nicht ausgelassen werden sollten. Gerade nicht von Eltern und Kindern, die einen schwereren gemeinsamen Start haben. Neben der guten und bindungsorientierten Versorgung von frühgeborenen oder kranken Kindern auf der Neonatologie sollte dieser wichtige Aspekt nicht vergessen werden.
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